Rezidivierende Polychondritis
Im englischen Sprachgebrauch: relapsing polychondritis. Die rezidivierende Polychondritis ist eine extrem seltene Erkrankung. Ihre Bezeichnung kommt von "Poly-": griech. = viel, "chondr": griech. chondros = Knorpel und -itis: Endung bei Erkrankungen, die durch eine Entzündung hervorgerufen werden (z.B. auch Hepatitis = Leberentzündung, Gastritis = Magenschleimhautentzündung oder Bronchitis = Entzündung der Bronchien).
Rezidivierend heißt wiederkehrend, bei der rezidivierenden Polychondritis kommt es zu meistens schubartigen, manchmal aber auch dauerhaft anhaltenden Entzündungen des Knorpels. Beteiligt sein können alle Strukturen oder Organe, die aus Knorpel bestehen oder in denen knorpelige Bestandteile vorhanden sind. Besonders häufig sind betroffen:
Ohrknorpel:
Typisch sind Entzündungen der Ohrmuschel auf beiden Seiten (Abgrenzung zu einer bakteriellen oder sonstigen Infektion der Ohrmuschel, die in der Regel nur einseitig auftritt; (selten kann auch eine rezidivierende Polychondritis einseitig beginnen); weitere Abgrenzung zur Infektion: Bei der Polychondritis ist das Ohrläppchen ausgespart, da es nicht aus Knorpel besteht). Die Ohren sind heiß, geschwollen, gerötet, manchmal hochrot, und schmerzhaft. Durch die Entzündung wird der Knorpel dauerhaft weich, so daß sich die Ohrmuscheln nach Abklingen der akuten Entzündung "schlabberig" anfühlen.
Nasenknorpel:
Ebenfalls häufig bei der Polychondritis betroffen. Wie bei der Beteiligung der Ohren kommt es zu einer Entzündung des Nasenknorpels mit Schwellung, z.T. auch Rötung und Schmerzen der Nase. Im Verlauf kann sich die Form der Nase verändern (z.B. Entstehen einer Delle auf dem Nasenrücken, Abb.).
Knorpel der Luftröhre und der Bronchien sowie der Kehlkopfknorpel:
Eine ebenfalls relativ häufige und zugleich eine der lebensbedrohlichen Manifestationen der Polychondritis. Die Entzündung führt zum Anschwellen der knorpeligen Wände des Kehlkopfes, der Luftröhre und der Bronchien, die damit zuschwellen. Bei starken Entzündungen kann der Luftstrom so behindert werden, daß ein lebensbedrohlicher Sauerstoffmangel eintreten kann. Zusätzlich kann es durch die Entzündung zu einem Aufweichen der Verstärkungsspangen kommen, die z.B. die Luftröhre in kurzen Abständen verstärken und dem Rohr dadurch die nötige Stabilität geben. Diese Stabilität wird benötigt, da beim Einatmen ein Unterdruck oder Sog besteht, um die Luft in die Lunge zu saugen. Sind nun die Verstärkungsringe weich, wird die äußere Wand des Kehlkopfs, der Luftröhre oder der Bronchien durch den Unterdruck beim Atmen nach innen gezogen und der Querschnitt des Rohres wird kleiner. Ist die Wand des Rohres sehr weich, können die Wände sogar ganz aneinandergezogen werden und damit die Luftwege verlegen. In diesem Fall ist sofortiges ärztliches Eingreifen nötig (Beatmung als Sofortmaßnahme, manchmal über einen "Luftröhrenschnitt", später operative Maßnahmen zur Stabilisierung der Luftröhre).
Gelenke:
Nicht ganz so häufige Manifestation der Polychondritis. Die Entzündung des Gelenkknorpels führt zu Schwellungen, Überwärmung und Schmerzen des Gelenks, auch zu einem Gelenkerguß. Im Verlauf kann sich eine Arthrose entwickeln.
Herzklappen:
Eine glücklicherweise seltene, dafür aber ebenfalls lebensbedrohliche Manifestation der Polychondritis. Die Entzündung der Herzklappen kann zu Undichtigkeiten führen, bei schweren Verläufen sogar zu so starken Defekten, daß es zu einem hochakuten Nachlassen der Herzleistung kommt und eine Notfall-Herzoperation mit Klappenersatz vorgenommen werden muß.
Da die Polychondritis sehr selten ist, sind die Therapieerfahrungen nicht so umfangreich wie bei den meisten anderen, häufigeren rheumatischen und immunologischen Erkrankungen. Unbestritten ist der Einsatz von Cortison in der Akutphase, um die Entzündung so schnell wie möglich und so wirkungsvoll wie möglich zu stoppen. Von dieser Maßnahme hängt oft das Vermeiden oder die Schadensbegrenzung der oben beschriebenen lebensbedrohlichen Komplikationen ab. Da in der Akutphase und in der anschließenden Stabilisierungsphase oft hohe Cortisongaben notwendig sind, die bei längeren Therapiezeiträumen unausweichlich zu Nebenwirkungen führen würden (Hauptproblem: Osteoporose = Verringerung der Knochendichte), versucht man auch bei der Polychondritis (wie bei vielen anderen entzündlich-rheumatischen und immunologischen Erkrankungen) Cortison durch langwirksame antirheumatische und immunmodulatorische Medikamente einzusparen und nach Möglichkeit auf Dauer zu ersetzen. Im Gegensatz zu beispielsweise der chronischen Polyarthritis gibt es für die Polychondritis allerdings keine umfangreichen Daten über die Chancen (Wirkungen) und Risiken (Nebenwirkungen) einzelner Medikamente. Die gegenwärtig zum Einsatz kommenden Präparate beruhen auf Erfahrungen im Einzelfall oder bei wenigen Patienten. Nicht selten müssen verschiedene Substanzen ausprobiert werden. Entscheidend für den Verlauf und die Langzeitprognose ist die Behandlung in einem Rheumazentrum oder einer vergleichbaren spezialisierten Einrichtung z.B. in einer Universitätsklinik, wo Erfahrungen aus mehr als nur einem Patienten mit einer rezidivierenden Polychondritis bestehen und solche Patienten auch im Verlauf dauerhaft betreut werden.
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