Woran merke ich, daß der Behandlungseffekt eintritt?
Am unmittelbarsten nimmt man die Verringerung der Schmerzen wahr. Um diesen Effekt allerdings nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu messen, setzen Ärzte sogenannte Schmerzskalen ein, mit denen man die Effekte von Behandlungsmaßnahmen durch Schmerzmessung vor der Therapie, unmittelbar nach der Therapie und im weiteren Verlauf dokumentieren kann. Wenn man als Patient nachprüfen möchte, in welchem Umfang die Kurmaßnahme einen Einfluß auf die Schmerzreduktion hat, kann man für sich selber entsprechende Skalen zur Schmerzmessung benutzen und in einer Art Schmerztagebuch auch über einen längeren Zeitraum erfassen.
Bei einigen Patienten stehen weniger der Schmerz und stärker die Bewegungseinschränkung und der Funktionsverlust von Gelenken oder anderen Strukturen im Bereich des Bewegungssystems im Vordergrund, z.B. die zunehmende Einsteifung der Wirbelsäule bei M. Bechterew.
Bei einem chronischen Krankheitsverlauf und mit zunehmender Krankheitsdauer gehen diese Funktionsverluste auf knöcherne Veränderungen zurück, z.B. eine knöcherne Verbindung zwischen Wirbelkörpern (Spangenbildung, „Syndesmophyten“, „Bambusstab-Wirbelsäule“). Oft ist aber die zunehmende Bewegungseinschränkung nicht auf feste knöcherne Verbindungen, sondern auf eine mangelnde Dehnbarkeit von Gelenkkapseln oder Sehnen zurückzuführen und damit therapeutisch noch mehr oder weniger gut zu beeinflussen.
Wenn es durch die Therapie im Heilstollen und die flankierenden weiteren Behandlungsmaßnahmen hier zu einer Verbesserung kommt, merkt man dies subjektiv an einer verbesserten Beweglichkeit im Rücken. Um diesen Behandlungseffekt aber auch zahlenmäßig und damit „objektiv“ zu erfassen, gibt es einige auch international verwendete Messinstrumente. Vom Patienten selber einzusetzen ist der Finger-Boden-Abstand (FBA), bei dem der Abstand zwischen den Fingerspitzen und dem Fußboden gemessen wird, wenn sich der Patient mit gestreckten Knien vorne überbeugt und versucht, sich mit den Fingerspitzen so weit wie möglich dem Boden zu nähern.
Vom Arzt werden zusätzlich zum FBA-Wert die Verbesserung der Beweglichkeit im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) gemessen. Dazu verwendet man das Ott´sche Maß (Kürzel: „OTT“) für die BWS-Beweglichkeit und das Schober´sche Maß (Kürzel: „Schober“) für die LWS-Beweglichkeit. Grundsätzlich können diese Messungen auch vom Patienten durchgeführt werden. Allerdings benötigt er dazu eine entsprechende Anleitung; außerdem ist dafür eine Hilfsperson erforderlich.
Sehr wichtig ist bei Bechterew-Patienten die Atembreite (AB). Durch die Beteiligung der Gelenke zwischen der Wirbelsäule und den Rippen (Costovertebralgelenke)und der Gelenke zwischen den Rippen und dem Brustbein (Sternocostalgelenke) kommt es im Verlauf der Erkrankung zu einer verminderten Beweglichkeit des Brustkorbs beim Ein- und Ausatmen und zu einer Verringerung der Atembreite. Durch eine Messung der Brustkorbausdehnung beim tiefen Einatmen nach vorherigem tiefen Ausatmen kann ermittelt werden, in welchem Umfang hier bereits eine Einschränkung der Atembreite („Atemexkurskion“) eingetreten ist. Ein wesentlicher Effekt einer gut wirksamen Heilstollenbehandlung, auch hier in Kombination mit einer intensiven flankierenden krankengymnastischen Therapie, ist eine Verbesserung der Atembreite, wie sie sich in entsprechenden Veränderungen bei den Messungen vor und nach der Kur und im weiteren Krankheitsverlauf dokumentieren lässt.
Typisch für entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis), die Psoriasis-Arthritis (Arthritis bei Schuppenflechte) oder den M. Bechterew ist eine ausgeprägte Morgensteifigkeit. Die Dauer der Morgensteifigkeit ist bei vielen Patienten ein gutes Maß für die aktuelle Krankheitsaktivität; allerdings gibt es auch Patienten, die bei einer hohen Krankheitsaktivität nur wenig oder überhaupt keine Morgensteifigkeit haben und umgekehrt andere, bei denen die Krankheitsaktivität insgesamt recht gut kontrolliert ist, die aber trotzdem unter einer ausgeprägten und lang anhaltenden Morgensteifigkeit leiden).
Wenn ein Patient unter Morgensteifigkeit leidet, kann sie gut zur Beurteilung des Behandlungserfolges herangezogen werden. Wenn beispielsweise vor einer Heilstollenkur die Morgensteifigkeit 2 Stunden bzw. 120 Minuten betrug und sich dieser Wert im Verlauf bis auf eine Morgensteifigkeit von 20 oder 30 Minuten verringert, ist dies ein wichtiger Hinweis auf eine Wirksamkeit der Therapie (dies gilt im übrigen auch für alle übrigen Behandlungsmethoden bei der Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen, insbesondere auch für die Wirksamkeitsbeurteilung von Medikamenten aus der Gruppe der langwirksamen Antirheumatika).
Ein wesentlicher Anwendungsbereich („Indikationsbereich“) einer Heilstollenkur sind Arthrosen, d.h. verschleiß- oder altersbedingte Veränderungen in Gelenken. Sie sind vor allem durch zunehmende Schmerzen bei Belastung und durch Bewegungseinschränkungen gekennzeichnet. Kommen entzündliche Schübe dazu (sogenannte „aktivierte“ Arthrose), tritt der Arthroseschmerz auch in Ruhe und in der Nacht auf.
In vielen Fällen ist der Arthroseschmerz allerdings nicht allein oder in erster Linie auf einen direkten Gelenkschmerz zurückzuführen, sondern auf begleitende Probleme im Bereich der Weichteile wie der Muskulatur oder der Sehnenansätze.
Wie bei den entzündlichen rheumatischen Erkrankungen äußert sich die Wirkung einer Heilstollenkur ebenfalls als erstes in einer Verringerung der Schmerzen und in einer verbesserten Funktion. Sind große Gelenke der unteren Körperhälfte betroffen, z.B. Hüfte oder Kniegelenk, ist bei der Arthrose die Gehstrecke zunehmend eingeschränkt. Die positiven Auswirkungen der Therapie machen sich dann in einer Zunahme der Gehstrecke bemerkbar (dies kann man an der zurückgelegten Gehstrecke in der Ebene festmachen und in Kilometern oder Stunden angeben). Häufig äußert sich die Arthrose aber nicht allein durch Schmerzen im Gelenk selber, sondern auch durch eine rasche Erschöpfung der Muskulatur, beispielsweise im Oberschenkel oder in der Wade. Ein positiver Effekt einer erfolgreichen Heilstollenkur und der flankierenden, ergänzenden physikalischen und physiotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen ist eine Abnahme dieser vorzeitigen muskulären Ermüdung und eine höhere Ausdauerleistung der Muskulatur.