Gibt es Nebenwirkungen?
Intensiv diskutiert wird seit langem die Frage nach möglichen Langzeitschäden durch die Therapie mit dem schwach radioaktiven Radon-Gas. Hintergrund sind Beobachtungen an Bergleuten im Erzgebirge, die bei ihrer Arbeit untertage über viele Jahre hinweg sehr hohen Radonkonzentrationen ausgesetzt waren und bei denen eine erhöhte Sterblichkeitsrate an Lungenkrebs auffiel („Schneeberger Krankheit“). Man weiß heute, dass es in der Tat einen eindeutigen Zusammenhang zwischen hohen Radondosen und Lungenkrebs gibt. Auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Daten und von Modellrechnungen kann ein mögliches minimales Risiko auch für eine Radontherapie nicht ausgeschlossen werden. Von diesem Risiko sind dann aber in erster Linie nicht Patienten betroffen, die in der Regel höchstens einmal jährlich für 2-4 Wochen mit durchschnittlich 10–12 Einfahrten mit einer kurzdauernden Radon-Inhalationstherapie im Stollen behandelt werden, sondern das Personal, das sich täglich für mehrere Stunden im Therapiebereich des Stollens aufhält.
Bei therapeutischer Anwendung im Stollen ist die Radon-Exposition ohnehin nur gering. So verbleibt Radon-222 nur kurz im Körper (die physikalische Halbwertzeit beträgt zwar 3,8 Tage, als sogenanntes inertes Edelgas geht aber Radon-222 im Körper mit keinem Bestandteil irgendwelche chemischen Reaktionen ein, so dass die mittlere Verweildauer des Radons im Körper mit einer sogenannten biologischen Halbwertszeit von ca. 20-30 Minuten viel geringer ist). In dieser Zeit kommt es zu einem Zerfall von etwa 2% der aufgenommenen Radonmenge, d.h. der Anfall an radioaktiven Folgeprodukten, die durch längere Halbwertszeiten unter Strahlungsgesichtspunkten Probleme machen könnten, ist relativ niedrig.
[Für Experten: Bei einer dreiwöchigen Heilstollenkur beträgt die Ganzkörperdosis im Mittel etwa 1,8 mSv und liegt damit in einem Dosisbereich, der in etwa der durchschnittlichen Jahresbelastung eines Mitteleuropäers durch Radon in der natürlichen Umgebung entspricht.]
Bei der Diskussion des Strahlenrisikos muß weiterhin berücksichtigt werden, dass sich die Daten aus dem Bergbau auch aus anderen Gründen nicht unmittelbar auf die Situation im Heilstollen übertragen lassen. So ist der Anteil von Rauchern bei Bergleuten und damit das daraus unabhängig resultierende Lungenkrebsrisiko überdurchschnittlich hoch. Außerdem muß einkalkuliert werden, daß der Standard der Arbeitsschutzmaßnahmen von heute mit der Situation in der Vergangenheit nicht vergleichbar ist und die Luft in den Bergwerken früher mit einer ganzen Reihe von anderen Schadstoffen wie Arsen oder Dieselabgasen belastet war.
Insgesamt ist nach allen Daten, die heute zur Verfügung stehen, das Lungenkrebs-Risiko durch eine Heilstollentherapie vernachlässigbar klein. Ein Risiko hinsichtlich anderer Krebsarten ist für Radon ohnehin nicht bekannt.
Bei der Frage nach möglichen unerwünschten Folgen einer Radon-Heilstollenkur („Nebenwirkungen“) muß zwischen den möglichen ungünstigen Soforteffekten unmittelbar durch die Auswirkung der Einfahrt in den Stollen und das dortige spezielle Klima und den möglichen Langzeitfolgen unterschieden werden.
Unmittelbare ungünstige Effekte resultieren insbesondere aus der milden Hyperthermie und der hohen Luftfeuchtigkeit im Stollen und der damit verbundenen Belastung von Herz und Kreislauf. Bei Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen, z.B. einer unbehandelten oder unzureichend behandelten Herzschwäche oder auch mit einem schlecht oder überhaupt nicht eingestellten erhöhten Blutdruck (arterieller Hypertonie) kann es bei der Einfahrt in den Stollen zu einer akuten Überlastung des Herz-Kreislauf-Systems und einer akuten Verschlechterung („Dekompensation“) kommen. Daraus ergeben sich entsprechende Einschränkungen („Kontraindikationen“). Dazu gehört auch der Hinweis, dass die Einfahrt in das Berginnere bei Patienten mit Platzangst Panikattacken oder ähnliche Symptome hervorrufen kann.
Um das Risiko dieser unmittelbaren Nebenwirkungen so niedrig wie möglich zu halten, werden alle Patienten vor der Einfahrt in den Stollen nach Vorerkrankungen befragt und ärztlich untersucht.