Drei von vier Berufsmusikern haben gesundheitliche Probleme
Wenn der Bach aufs Kreuz geht: Körperliche Beanspruchung vergleichbar mit Hochleistungssportlern – Wirbelsäule häufig geschädigt
Er wirkt so leicht, so beschwingt, so mühelos – doch der virtuose Vortrag von Konzert- und Orchestermusikern ist körperliche Schwerstarbeit. Mehr als drei Viertel der fast 12.000 Berufsmusiker in Deutschland haben berufsbedingte gesundheitliche Beschwerden. Damit zählt ihre Tätigkeit zu den gesundheitsgefährdendsten Berufen überhaupt, so die Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (DGPMR). Häufig betroffen: der Stütz- und Bewegungsapparat, insbesondere die Wirbelsäule.
Verkrümmt oder im Halsbereich überstreckt, mit verkümmerten Bandscheiben und Höckerbildung auf den Wirbelknochen – das Rückgrat vieler Profi-Musiker sieht oft besorgniserregend aus. Entsprechend häufig klagen sie über Rückenschmerzen – weitaus mehr als etwa über Gehörprobleme. „Wenn man bedenkt, dass eine Musikerkarriere oft schon im Alter von sechs bis acht Jahren beginnt und über Jahrzehnte täglich vier bis sechs Stunden Üben voraussetzt, verwundert dies nicht“, erläutert Prof. Egbert J. Seidel von der DGPMR. „Die körperliche Beanspruchung ist vergleichbar mit der von Sportlern in einem Leistungssportzentrum.“ Betroffen sind auch viele der über 25.000 Musikstudenten, der rund 35.000 Schüler an Musikschulen in Deutschland sowie freischaffende Musiker.
Vor allem das Verharren in ein und derselben unnatürlichen Position und anhaltende einseitige Bewegungen wirken sich ungünstig aus. US-Studien zufolge leiden besonders Flötisten, Kontrabassisten, Gitarristen und hohe Streicher unter Schmerzen. Violinisten drehen beispielsweise beim Spielen den Kopf nach links und üben mit dem Kinn Druck auf ihre Geige aus. Die Halswirbelsäule ist dabei erheblichen Kräften ausgesetzt. Zusätzlich muss die linke Hand, die das Instrument hält, übermäßig stark einwärtsgedreht werden. Fagott- und Flötenspieler dehnen ihren rechten Arm extrem stark nach hinten, Kontrabassspieler den linken Arm nach oben. „Muskeln, Sehnen, Gelenken und der Wirbelsäule wird oft eine enorme Dauerbelastung abverlangt“, so Prof. Seidel. „Doch während Leistungssportler Methoden erlernen und trainieren, wie sie ihren Körper nach Höchstleistungen regenerieren können, gibt es in der Musikerausbildung nichts dergleichen.“
Häufig sehen Musiker ihren Körper sogar eher nur als Hilfsorgan und „verlängerten Arm“ ihres Instruments, Schmerzen werden buchstäblich „überspielt“ und durch verstärktes Üben zu kompensieren versucht. Der enorme Konkurrenzdruck, ein hoher Anspruch an sich selbst sowie künstlerische oder private Krisen verstärken die psychische Komponente von Rückenschmerzen zusätzlich. Ausgleich durch mehr körperliches Training führt zwar oft zur Abnahme der allgemeinen Rückenschmerzen, die Beschwerden beim Instrumentenspiel bleiben jedoch, wie Prof. Seidel von der DGPMR beobachtete.
Musiker mit chronischen Rückenschmerzen sollten daher einen Reha-Facharzt aufsuchen, der das Problem ganzheitlich betrachten und einen auf die spezielle Symptomatik ausgerichteten Therapieplan erstellen kann, empfiehlt die DGPMR. Dazu gehören etwa Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren, Massagetechniken, Selbstübungen, Körpertechniken wie Feldenkrais oder Alexander-Technik sowie gegebenenfalls auch psychotherapeutische Behandlung.
Zusätzlich sollte der Reha-Facharzt ein individuelles Präventionsprogramm erstellen, damit die Schmerzen nicht nach kurzer Zeit wieder auftreten. Prof. Seidel: „Musiker müssen sich auf ihren Beruf durch instrumentenspezifisches, zielgerichtetes Training genauso vorbereiten wie ein Sportler auf seinen Wettkampf. Hierbei kann sie der Reha-Facharzt hilfreich unterstützen.“ An einigen Hochschulen für Musik gibt es inzwischen spezielle Musikersprechstunden.
Quelle: DGPMR, Presse-Service Physikalische Medizin und Rehabilitation, www.dgpmr.de