Biologische Therapie bei M. Bechterew und Kostenübernahme durch die Krankenkassen
Mit den neuen biologischen Therapien stehen erstmals hochwirksame Medikamente für die Therapie des M. Bechterew zur Verfügung, die die Behandlung gerade bei schweren Verlaufsformen regelrecht revolutioniert haben. Unter welchen Voraussetzungen werden die Kosten für diese neuen Therapien von den Krankenkassen übernommen?
Hinweise zur Kostenübernahme, Kostenerstattung, Kostenerstattungsfähigkeit und Kostenübernahmepflicht bei der Therapie einer ankylosierenden Spondylitis mit TNF-alpha-hemmenden Substanzen bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV) sowie bei Beihilfeberechtigten*
Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
· In Deutschland ist wie in der gesamten Europäischen Union derzeit nur Infliximab (Remicade) von der europäischen Zulassungsbehörde EMEA für die Therapie der ankylosierenden Spondylitis zugelassen. Damit ist im Regelfall bei Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei einem M. Bechterew nur eine Therapie mit Infliximab möglich, es sei denn, es lägen Kontraindikationen (Gegenanzeigen) gegen eine Therapie mit Infliximab vor und es bestünden gleichzeitig zwingende medizinische Gründe für die Notwendigkeit einer Therapie mit TNF-alpha-blockierenden Substanzen. In diesem Fall ermöglicht das aktuelle Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zum sogenannten „off-label-use“, d.h. der Anwendung von Medikamenten außerhalb der geltenden Zulassung, auch eine Therapie einer ankylosierenden Spondylitis mit Etanercept (Enbrel), da die dafür nötigen Voraussetzungen nach den Vorgaben des BSG-Urteils u.a. mit der Zulassung von Etanercept für die ankylosierende Spondylitis durch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA erfüllt sind. Zur Vermeidung von Regressansprüchen wird dem verordnenden Arzt jedoch empfohlen, vor Beginn der Therapie bei der zuständigen Krankenkasse eine schriftliche Bestätigung über den Verzicht auf Regressansprüche (Verzicht auf Regress wegen eines „sonstigen Schadens“) einzuholen.
Versicherte der Privaten Krankenversicherung (PKV)
· Bei Versicherten der privaten Krankenversicherung (PKV) sind die Erstattungsvoraussetzungen die Therapie eines M. Bechterew mit TNF-alpha-Hemmern anders geregelt. Nach den Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherer (Musterbedingungen 1976 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK76), Stand August 1997), die im Regelfall Bestandteil der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung der privaten Krankenversicherungsunternehmen in Deutschland sind, ist die Voraussetzung für die Erstattung einer Heilbehandlung die medizinische Notwendigkeit. Zugleich besteht nach der geltenden Rechtsauffassung der Anspruch auf eine Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnis.
· Die medizinische Notwendigkeit ist auf jeden Fall gegeben, wenn die Therapie eines M. Bechterew auf der Grundlage der aktuellen internationalen Leitlinien erfolgt (Braun J, Pham T, Sieper J, et al. International ASAS consensus statement for the use of anti-tumour necrosis factor agents in patients with ankylosing spondylitis. Ann Rheum Dis 2003 Sep; 62(9):817-24; rheuma-online.de/news/138.html).
· Da der Begriff der medizinischen Notwendigkeit aber nach der in Deutschland gültigen höchstrichterlichen Rechtsprechung weiter gefasst ist, sind durch die Private Krankenversicherung auch solche Behandlungsmaßnahmen gedeckt, die die genannten Empfehlungen im individuellen Einzelfall nicht vollumfänglich erfüllen. In einem solchen Fall ist allerdings ggf. eine besondere Begründung durch den behandelnden Arzt notwendig.
· Die Therapie einer ankylosierenden Spondylitis mit Etanercept ist eine anerkannte Behandlungsmethode, die dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnis entspricht und durch mehrere klinische Studien mit der gegenwärtig maximal verfügbaren Evidenz abgesichert ist. Auf der Grundlage dieser klinischen Studien und der vorhandenen wissenschaftlichen Evidenz wurde Etanercept in den USA durch die amerikanische Zulassungsbehörde für die Therapie der ankylosierenden Spondylitis zugelassen.
· Damit sind auch für die Therapie des M. Bechterew mit Etanercept (Enbrel) die Voraussetzungen für die Kostenerstattung durch die Private Krankenversicherung in mehrfacher Hinsicht gegeben.
Beihilfeberechtigte
· Für Beihilfeberechtigte gelten, mit kleinen Nuancen im Detail, im wesentlichen dieselben Grundsätze für die Erstattungsfähigkeit der Therapie einer ankylosierenden Spondylitis mit TNF-alpha-hemmenden Substanzen wie für die Versicherten der Privaten Krankenversicherung.
· Bei vorliegender Indikation besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung sowohl für die Therapie mit Infliximab (Remicade) als auch mit Etanercept (Enbrel), da die Wirksamkeit für beide Substanzen bei der ankylosierenden Spondylitis in umfangreichen klinischen Studien unzweifelhaft gesichert ist und diese Therapie wissenschaftlich anerkannt ist. Die offizielle Zulassung einer Substanz ist keine zwingende Notwendigkeit für die Kostenübernahme durch die Beihilfe. Da allerdings entsprechende Zulassungen durch die offizielle Zulassungsbehörde sowohl für Infliximab (Zulassung in Europa durch die EMEA) als auch für Etanercept (Zulassung in den USA durch die FDA) vorliegen, sichert dies den Anspruch auf die Kostenerstattung durch die Beihilfe zusätzlich ab.
*Diese Hinweise haben allgemeinen Charakter und sollen eine Orientierungshilfe zur Frage der Kostenübernahme einer Therapie mit TNF-alpha-blockierenden Substanzen durch die jeweils zuständigen Kostenträger geben. Ob in einer konkreten Situation die Voraussetzungen für die Kostenübernahme gegeben sind, muß in jedem Einzelfall individuell geprüft werden. Die Hinweise wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Irrtümer sind jedoch vorbehalten. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Jegliche Haftungsansprüche, insbesondere auch solche, die sich aus einer Verweigerung der Kostenübernahme durch Kostenträger ergeben, sind ausgeschlossen.