Unzureichende Wirksamkeit der Basistherapie - Was tun?
Hallo, liebes rheuma-online-team, ich nehme wegen einer noch nicht genau zu diagnostizierenden rheumatischen Erkrankung (ein Knie, sechs Finger, beide Handgelenke geschwollen und teilweise sehr schmerzhaft, hohe Entzündungswerte und Blutsenkung) seit November Kortison (immer noch 17,5 mg tägl.), dazu seit März Azulfidine und seit etwa acht Wochen MTX (einmal wöchentlich zuerst 10 mg, am Montag zum zweiten Male 20 mg), dazu abends Celebrex. Nun ist heute auch noch mein rechtes Sprunggelenk angeschwollen und tut weh. Ist es möglich, Herrn Dr. Langer auf diesem Wege zu fragen, ob das normal ist???
Kommt das trotz Behandlung häufig vor???? Habe ich vielleicht gar nichts Rheumatisches, sondern es steckt etwas anderes dahinter??? Inzwischen mache ich mir große Sorgen um meine Gelenke; denn wenn die Mittel immer noch nicht wirken (erkrankt und arbeitsunfähig bin ich seit Sommer 01, beim Rheumatologen seit November 01), dann werden sich bestimmt irreparable Schäden einstellen, ich vielleicht im Rollstuhl landen. Ich kenne keine e-mail-Adresse von Rheumakranken, die mich aufklären könnten. Bin ziemlich verzweifelt. Mein Rheumatologe schien mir heute ziemlich ratlos, ersetzte aber Azulfidine (etwas ausschleichend) durch Arava. Ich bitte um eine möglichst baldige Antwort, für die ich im voraus herzlich danke. Mit Abendgruß!
online dürfen, können und wollen wir keine individuellen diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen geben. Allgemein kann man aber sagen, dass sich Ihre Schilderung nach einer hochaktiven chronischen Polyarthritis oder einer vergleichbaren entzündlich-rheumatischen oder immunologischen Systemerkrankung anhört, die offensichtlich auf die bisherige Therapie nur unbefriedigend angesprochen hat. In einer solchen Situation sind einige Aspekte wichtig:
Zum einen wäre es natürlich wünschenswert, dass man die genaue Diagnose kennt. Es wundert mich, dass Sie in rheumatologischer Behandlung sind und dennoch Schwierigkeiten bei der genauen diagnostischen Einordnung des Krankheitsbildes bestehen. Dies kann natürlich daran liegen, dass Ihr Rheumatologe einige Befunde kennt, die Sie jetzt nicht mitgeteilt haben.
Bei einer rheumatoiden Arthritis / chronischen Polyarthritis kommt es auf jeden Fall darauf an, die Krankheitsaktivität rasch zu kontrollieren, damit es nicht zu Schäden an den Gelenken kommt. Der wesentliche Eckpfeiler der Therapie ist dabei die rasche Einleitung einer sogenannten langwirksamen antirheumatischen Therapie. Aus neuen Studien wissen wir, dass es dabei auf wenige Wochen ankommen kann und jede weitere Verzögerung mit einem erhöhten Risiko für Spätfolgen verbunden ist.
Wenn eine solche langwirksame antirheumatische Therapie nicht ausreichend greift, sollte man nicht zulange damit warten, sie zu ändern. Dies kann in Form einer Dosissteigerung, in Form eines Wechsels auf ein völlig anderes Präparat oder aber auch als Kombinationstherapie geschehen, indem man das laufende Präparat beibehält und durch einen Kombinationspartner erweitert. Der wichtigste Kombinationspartner ist dabei Methotrexat. Methotrexat gehört auch zu den sehr wirksamen langwirksamen antirheumatischen Medikamenten.
Ob die Therapie ausreichend wirkt, kann man selber neuerdings online mit unserem eDAS im Rahmen unseres OMORA-Programms überprüfen. Dabei ist wichtig, dass durch Cortison eine niedrige Krankheitsaktivität vorgetäuscht werden kann. Wenn höhere Dosen als 5 mg Cortison (Prednisolon-Äquivalent, z.B. Decortin oder Decortin H) pro Tag notwendig sind, um die Krankheitsaktitivität zu kontrollieren, liegt auf jeden Fall eine hohe Krankheitsaktivität vor, unabhängig vom aktuellen Wert des eDAS. Ebenso bedeutet natürlich eine hohe Dosis von Cortison und das unveränderte Vorhandensein von Symptomen / Beschwerden, dass die Erkrankung nicht ausreichend kontrolliert ist.
Wenn eine hohe Krankheitsaktivität trotz einer ausreichend hohen Mtx-Dosis vorliegt, kann dies zwei Gründe haben: Entweder wird Methotrexat als Tablette gegeben und u.U. nicht genug vom Körper aufgenommen ("resorbiert"), oder es liegt eine wirklich hohe Krankheitsaktivität und damit eine prognostisch ungünstige Erkrankungsform vor.
Wenn Methotrexat (Mtx) bislang als Tablette gegeben wurde, sollte es in einer solchen Situation auf Spritzenform umgestellt werden. Manche Patienten nehmen bei Verabreichung als Tablette nicht genug der Substanz über den Magen-Darm-Trakt auf, so dass dann auch die vergleichsweise hohe Dosis von 20 mg pro Woche dennoch nicht ausreichend wirkt.
Kommt es unter einer solchen Maßnahme nicht innerhalb von wenigen Wochen, etwa 4 bis maximal 6 Wochen, nicht zu einem ausreichenden therapeutischen Ansprechen, muss die Basistherapie geändert werden. Eine sinnvolle Maßnahme ist z.B. der Wechsel auf die hochwirksame Kombinationstherapie mit Mtx und Leflunomid (Arava. Auch in einer vergleichbaren Situation, wie Sie von Ihnen beschriebenen wurde, macht so ein Wechsel Sinn. Ich selber schätze diese Kombinationstherapie sehr. Die aktuellen Daten vom Kongress in Stockholm (siehe die Kongress-News vom Juni) sprechen auch sehr für diese Kombination. Wichtig ist, dass Arava am Anfang aufgesättigt werden muss, d.h. 2 Tage ("Kremer-Studie") oder 3 Tage lang (so mache ich es) 100 mg, dann erst die Erhaltungsdosis von 20 mg pro Tag.
Gelingt es auch mit der Kombinationstherapie nicht innerhalb von etwa 6-8 bis maximal 12 Wochen nicht, die Krankheitsaktivität maßgeblich zu verringern, muß intensiv über einen Wechsel auf die sogenannten "Biologicals" wie Etanercept (Enbrel), Infliximab (Remicade) oder Anakinra (Kineret) nachgedacht werden. Da es augenblicklich Versorgungsschwierigkeiten mit Enbrel gibt, kommen derzeit in erster Linie die beiden letztgenannten Präparate in Betracht.
Ziel muss es neben einer wirksamen Krankheitskontrolle außerdem sein, mittelfristig die Cortison-Dosis in einen relativ ungefährlichen Bereich zu bringen, d.h. in den Bereich der sogenannten "low-dose-Therapie" mit Cortisondosen von 5 mg Prednisolon-Äquivalent oder weniger.
Wenn eine rheumatoide Arthritis / chronische Polyarthritis zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit führt, droht die Gefahr einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit. Nach dem Sozialrecht liegen damit die Voraussetzungen für eine gezielte Rehabilitation vor, die vorzugsweise in einer spezialisierten Rheumaklinik durchgeführt werden sollte.
Wenn die Krankheitsaktivität allerdings sehr hoch ist, sind die medizinischen Voraussetzungen für eine solche Rehabilitationsmaßnahme (noch) nicht gegeben. In einem solchen Fall sollte man dringlichst darüber nachdenken, ob nicht so bald wie möglich die stationäre Aufnahme in einer rheumatologischen Akutklinik (Rheumafachkrankenhaus) erfolgen sollte. Dort bestehen zum einen alle Möglichkeiten der Diagnostik, so dass eventuell bestehende diagnostische Unsicherheiten in der Regel im Rahmen des stationären Aufenthaltes ausgeräumt werden können, zum anderen bietet eine solche stationäre Behandlung die Chance, durch eine komplexe, intensive Therapie eine Remission einzuleiten, die durch die bisherige ambulante Behandlung nicht erreicht werden konnte.