Rheuma ohne Rheuma im Blut?
Guten Tag Herr Doktor Langer,
zuerst möchte ich Ihnen und Ihrem Team ein großes Lob aussprechen, seit ca. einem Jahr besuche ich regelmäßig diese HP und bin immer wieder total begeistert.
Ich selbst habe seit einem Jahr die Diagnose seronegative cP, allerdings ohne aufregende Laborparameter.
Beim Durchstöbern der vielen Einträge ist mir aufgefallen dass es vielen Betroffenen ähnlich geht, was natürlich die Diagnosefindung erschwert und bei vielen Betroffenen zu einem erschwerten Leidensweg führt.
Warum hat man, obwohl eindeutige Befunde an den Gelenken vorliegen, sonographisch und röntgenologisch gesichert, keine positiven Laborparameter?
Und wenn dies eine Form der cP ist, warum lassen dann viele Ärzte solche Patienten als Hypochonder abblitzen?
Keine erhöhten Entzündungswerte, keine rheumatische Erkrankung.
Das Ganze läßt mich deshalb nicht zur Ruhe kommen da man in einer rheumatologischen Reha-Klinik meine Beschwerden nicht für ernst genommen hat, da keine positiven Entzündungswerte vorlagen, und deshalb eine Synovitis in der Hüfte nicht erkannt hat, trotz eindeutiger Beschwerden.
Können im Körper Entzündungsreaktionen ablaufen, ohne im Labor auffällig zu werden????
Es ist leider auch vielen Ärzten und – was noch viel schlimmer ist – leider auch einigen Rheumatologen nicht bekannt, dass eine Arthritis vorliegen kann, ohne dass man im Labor erhöhte Entzündungswerte nachweisen kann.
Eine in dieser Hinsicht außerordentlich bedeutsame wissenschaftliche Untersuchung stammt von dem bekannten britischen Rheumatologen Paul Emery. Er hat in seiner „early arthritis clinic“ Patienten mit einer beginnenden Arthritis sehr sorgfältig mit einer ganzen Reihe von Untersuchungen untersucht und dann nach einem vorbestimmten Plan „prospektiv“ über die nächsten drei Jahre nachuntersucht.
Nach Ablauf der drei Jahre wurde dann festgestellt, bei welchen Patienten nun eine sichere chronische Polyarthritis / rheumatoide Arthritis vorlag und dann rückblickend geschaut, welche Befunde bei diesen Patienten ganz zu Anfang vorlagen.
Das erstaunliche Ergebnis war, dass bei mehr als einem Drittel der Patienten im Anfangsstadium der chronischen Polyarthritis / rheumatoiden Arthritis die Blutsenkung und / oder das c-reaktive Protein (CRP-Wert) nicht erhöht, d.h. normal waren.
Ebenso können auch im späteren Krankheitsverlauf die Entzündungswerte im Blut bei M. Bechterew oder bei der Psoriasisarthritis völlig normal sein, auch wenn lokal eine hohe Entzündungsaktivität besteht, die Krankheit erheblich aktiv ist und sich im Verlauf auch typische Röntgenveränderungen entwickeln.
Von besonderer Bedeutung ist es, zu wissen, dass einige der schwersten und z.T. lebensbedrohlichen rheumatischen bzw. immunologischen Systemerkrankungen wie einige Vaskulitiden oft mit nur ganz geringen oder sogar fehlenden Entzündungszeichen im Labor einhergehen, obwohl vor Ort in den Gefäßen ganz ausgeprägte Entzündungen bestehen und die Gefahr von Infarkten und anderen lebensbedrohlichen Ereignissen besteht. Bei vielen dieser Erkrankungen reichen die üblicherweise routinemäßig durchgeführten Laboruntersuchungen nicht aus, da sich die Erkrankung und die Aktivität der Erkrankung hier oft erst durch eine sehr aufwendige, diffenzierte Labordiagnostik und zusätzliche diagnostische Maßnahmen ermitteln lässt.
Es ist deshalb sehr wichtig, bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zwischen der lokalen und der systemischen Entzündungsaktivität zu unterscheiden, da die beiden Phänomene nicht immer parallel laufen müssen.
Dies gilt im übrigen auch für die Therapie und das Therapiemonitoring. Im Klartext: Wenn sich unter einer medikamentösen Therapie einer Arthritis oder einer anderen entzündlich-rheumatischen oder immunologischen Systemerkrankung die Blutwerte normalisieren, heißt das nicht in jedem Fall auch gleichzeitig, dass die Erkrankung vollständig kontrolliert ist und sich ein einer kompletten Remission befindet. Um von einer kompletten Remission sprechen zu können, ist immer auch die Bewertung anderer Parameter außer dem Labor notwendig.
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