Große Verunsicherung hat unter vielen Patienten ein kürzlich in der Welt am Sonntag erschienener Artikel ausgelöst ("Riskante Mittel", Welt am Sonntag vom 14. Juni 2001). Darin wird über angeblich schwere Nebenwirkungen der neuen Coxibe berichtet (Coxibe: Stichwort ---> COX-2-Hemmer in Rheuma von A-Z).

Coxibe sind Medikamente aus der Gruppe der cortisonfreien Entzündungshemmer, die durch einen speziellen Wirkungsmechanismus ("spezifische COX-2-Hemmung") gezielt die rheumatische Entzündung behandeln und dabei weniger gefährliche Nebenwirkungen am Magen-Darmtrakt hervorrufen als die traditionellen Präparate. Insbesondere können durch Coxibe solche lebensbedrohlichen Ereignisse wie Blutungen aus Magengeschüren und Magenperforationen ganz erheblich gesenkt werden.

Der Artikel berichtet nun über die Ergebnisse zweier großer Studien zu Coxiben (ohne daß sie ausdrücklich genannt sind, dürfte es sich um die CLASS-Studie zu Celecoxib = Celebrex und die VIGOR-Studie zu Rofecoxib = Vioxx handeln). Dabei werden die Resultate dieser Studien so dargestellt, als ob Coxibe deutlich das Risiko für einen Herzinfarkt erhöhen würden. Diese Interpretation kann aus beiden Studien nicht abgeleitet werden, wird von den Autoren dieser Studien auch nicht als Resultat der Studien angegeben und ist wissenschaftlich auch weder nachvollziehbar noch haltbar.

Im Gegenteil belegen die Daten aus allen uns bekannten, bisher durchgeführten sogenannten Placebo-kontrollierten Studien beispielsweise zu Rofecoxib, daß das Herzinfarktrisiko bei mit Rofecoxib behandelten Patienten gegenüber den Placebo-behandelten Patienten nicht erhöht ist.

Das Risiko für schwere Magen- und Darmnebenwirkungen läßt sich dagegen nach den Daten der oben genannten VIGOR-Studie um etwa 50% reduzieren. Für Celecoxib liegen vergleichbare Daten vor.

Die Senkung schwerer Nebenwirkungen am Magen- und Darmtrakt ist vor allem bedeutsam, da sie mit einem hohen Sterblichkeitsrisiko einhergehen. Nach Schätzungen auf der Grundlage großer Erhebungen (z.B. ARAMIS-Datenbank der amerikanischen Stanford-Universität) ist in den USA jährlich mit etwa 107.000 Krankenhausbehandlungen und etwa 16.500 Todesfällen in der Folge dieser Nebenwirkungen zu rechnen. Diese Zahl liegt in der Größenordnung der Todesfälle, die jährlich in den USA in der Folge von Verkehrsunfällen zu beklagen sind.

Merkwürdig ist die am Schluß es Artikels zitierte Empfehlung eines Pharmakologen aus einer "Uniklinik Bremen" (rheuma-online hört zum ersten Mal davon, daß es in Bremen eine Universitätsklinik gibt. Bei dem genannten Professor handelt es sich um den ehemaligen Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie am Zentralkrankenhaus Bremen, an dem es im übrigen eine rheumatologische Klinik oder Abteilung nicht gibt):

"Derzeit würde ich COX-II-Hemmer nur bei arthritischen Gelenkbeschwerden verordnen. Bei schweren rheumatischen Erkrankungen sind NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika = cortisonfreie Entzündungshemmer, Anm. von rheuma-online) bis auf weiteres das Mittel der Wahl". Was ist denn eine Arthritis anders als eine schwere rheumatische Erkrankung?

Ein echtes Problem spricht der Artikel im übrigen nicht an: Die neuen Coxibe sind erheblich teurer als die traditionellen cortisonfreien Entzündungshemmer. Damit sind sie den Krankenkassen ebenso ein Dorn im Auge wie den Kassenärztlichen Vereinigungen, da eine zu große Verordungshäufigkeit schnell den Rahmen sämtlicher Arzneimittelbudgets sprengen würde.