Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Ich leide unter starken Schmerzen der Fingergelenke.


Die rheumatoide Arthritis oder chronische Polyarthritis ist eine der folgenschwersten rheumatischen Erkrankungen. Sie hat ihren Namen von:

\"Poly-\": griech. = viel,
\"Arthr...\": griech. arthron = Gelenk und
-itis: Endung bei Erkrankungen, die durch eine Entzündung hervorgerufen werden (z.B. auch Hepatitis = Leberentzündung, Gastritis = Magenschleimhautentzündung oder Bronchitis = Entzündung der Bronchien).

Es handelt sich also um eine Erkrankung, bei der es zu Entzündungen in vielen Gelenken kommt. Für die Diagnosestellung ist dabei das sogenannte ---> Gelenkbefallsmuster wichtig. Typischerweise betroffen sind kleine Gelenke (Fingergelenke, Zehengelenke), ebenso typisch ist der sogenannte \"symmetrische\" Befall, d.h. eine Gelenkbeteiligung auf beiden Seiten des Körpers (z.B. Fingergrundgelenke an der rechten Hand und Fingergrundgelenke an der linken Hand oder Beteiligung beider Handgelenke usw.). Im Gegensatz zu einer ---> akuten Polyarthritis gehen die Entzündungen bei einer chronischen Polyarthritis nicht innerhalb von einigen Tagen oder Wochen zurück, sondern bleiben bestehen (\"chronische\" Polyarthritis). Die ---> seronegative chronische Polyarthritis unterscheidet sich von der sehr ähnlichen ---> seropositiven chronischen Polyarthritis dadurch, daß bei ihr der sogenannte Rheumafaktor im Blut (\"Serum\") nicht nachweisbar ist, die Untersuchung also negativ ist (\"sero-negativ\").

Die Ursache der chronischen Polyarthritis (seronegativ und seropositiv) ist bislang unbekannt. Man weiß lediglich, daß es zu einer Störung im Immunsystem kommt, jedoch zur Zeit noch nicht, wodurch diese ausgelöst wird. Gegenwärtig zählt man die chronische Polyarthritis zu den sogenannten ---> Autoimmunerkrankungen.

Eine chronische Polyarthritis macht sich durch Entzündungen in den Gelenken bemerkbar. Diese Entzündungen äußern sich in erster Linie durch Schmerzen, aber auch Überwärmungen der Gelenke, Hitzegefühl, desweiteren Schwellungen und z.T. auch Ergußbildungen (Wasser in den Gelenken, hat mit Blutergüssen nichts zu tun). Im Gegensatz zu verschleißbedingten Gelenkerkrankungen, sogenannten ---> Arthrosen, ist der Entzündungsschmerz in den Gelenken typischerweise in Ruhe und bessert sich bei Bewegung. Bei starken Entzündungen kommt es zu nächtlichen Gelenkschmerzen, von denen man aufwacht. Ebenfalls typisch für entzündliche Gelenkerkrankungen sind eine ausgeprägte Morgensteifigkeit, die je nach Schwere und Aktivität der Erkrankung bis weit in den Tag andauert und z.T. sogar den ganzen Tag über nicht verschwindet.

Die chronische Polyarthritis ist aber keine reine Gelenkerkrankung, obwohl sie davon ihren Namen hat. Sie ist eine Allgemeinerkrankung mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Allgemeinsymptomen. Dies hängt damit zusammen, daß die zugrundeliegende Störung im Immunsystem liegt und das Immunsystem in alle Bereiche es Körpers hineinwirken kann.

Typische Begleiterscheinungen der chronischen Polyarthritis sind damit eine je nach Krankheitsaktivität mehr oder minder ausgeprägte Müdigkeit, desweiteren u.U. ein allgemeines Krankheitsgefühl, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Lustlosigkeit, Depressivität, außerdem vor allem in Schubsituationen deutliche allgemeine Leistungsminderung, Abgeschlagenheit sowie eine erhöhte Körpertemperatur bis hin zu leichtem Fieber.

Außerhalb der Gelenke kann die chronische Polyarthritis die Weichteile befallen. Typische Bespiele sind Sehnenscheidenentzündungen (---> Karpaltunnelsyndrom, Sehnenscheidenentzündungen auf dem Handrücken bzw. über dem Handgelenk, aber auch auf dem Fußrücken; ---> Tenosynovitis), ---> Rheumaknoten (unter der Haut liegende, derbe, verschiebliche Knoten vor allem auf der Streckseite der Gelenke; typische Stelle: Ellenbogen) oder Schleimbeutelentzündungen (typisch auch am Ellenbogen).

Gefürchtet sind die ---> Organbeteiligungen bei chronischer Polyarthritis. Sie sind glücklicherweise selten, stellen dann aber z.T. lebensbedrohliche Komplikationen dar. Beispiele für Organbeteiligungen bei einer chronischen Polyarthritis sind

- rheumatische Rippenfellentzündung (---> Pleuritis)
- rheumatische Herzbeutelentzündung (---> Perikarditis)
- rheumatische Gefäßentzündungen (---> Vaskulitis).

Die Therapie einer chronischen Polyarthritis verfolgt verschiedene Ziele. Die wichtigsten sind:

1. Sofortmaßnahmen (Akuttherapie): Schmerzlinderung, Entzündungshemmung, Beseitigung eventuell bestehender Bewegungseinschränkungen etc., Beseitigung akut lebensbedrohlicher Krankheitskomplikationen

2. Remissionsinduktion (Krankheitskontrolle): Beseitigung der chronischen Entzündung

3. Remissionserhalt: Dauerhafte Stabilisierung der erreichten Erfolge

4. Vorbeugung von dauerhaften Schäden z.B. durch ---> Gelenkschutzmaßnahmen, z.B. durch ---> Krankengymnastik, vor allem auch durch ---> Gelenkschutztraining und ---> Patientenschulung

5. Rehabilitation: Wiederherstellung möglichst normaler Lebensverhältnisse (---> Rehabilitation)

Die Behandlung der chronischen Polyarthritis ist abhängig vom Stadium der Erkrankung (z.B. früh - spät), von der Schwere der Erkrankung (z.B. wenige oder viele Gelenke betroffen, Organbeteiligung), von der Krankheitsaktivität (z.B. eher geringe oder eher sehr starke Gelenkschmerzen, eher kurze oder sehr lange Morgensteifigkeit, Nachtschmerz) und von den im Augenblick im Vordergrund stehenden Problemen (z.B. starke Schmerzen in einem Handgelenk und zunehmender Bewegungsverlust, Schwellung im Knie mit Ruheschmerz und beginnendem Verlust der vollständigen Streckfähigkeit, heftige Nackenschmerzen als Ausdruck einer Beteiligung der Halswirbelsäule o.ä.). Deshalb muß die Behandlung stadienadaptiert, krankheitsadaptiert und problemorientiert erfolgen.

Dazu muß häufig ein sehr umfangreiches Arsenal an therapeutischen Maßnahmen zum Einsatz kommen. Wichtige Eckpfeiler der Therapie sind ---> Medikamente, ---> Krankengymnastik, sonstige physikalische Therapiemaßnahmen (---> physikalische Therapie) wie Kältepackungen, manchmal auch Wärmepackungen, Unterwasserbewegungsbad, ---> Ergotherapie, psychologische ---> Schmerzbewältigung, manchmal auch ---> Operationen, dazu ---> Patientenschulung und gegebenenfalls eine flankierende psychologische Stützung und Begleitung. Die optimale Therapie eines Patienten mit chronischer Polyarthritis erfolgt in spezialisierten ---> Rheumafachkliniken, am besten im Organisationsverbund sogenannter ---> regionaler Rheumazentren.

Die gegenwärtige Lehrmeinung ist, daß eine chronische Polyarthritis nicht heilbar ist. Die Erfahrung aus dem Rheinischen Rheumazentrum in Meerbusch zeigt jedoch in Übereinstimmung mit den Eindrücken aus anderen spezialisierten Zentren, daß sich heute bei immer mehr Patienten mit einer chronischen Polyarthritis vollständige Remissionen (vollständiges Verschwinden aller Symptome und aller Krankheitszeichen) erzielen lassen. Allerdings gibt es auch heute unter optimalen Bedingungen (siehe unten) immer wieder Patienten, bei denen alle Therapien nur zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen. Nach den Meerbuscher Erfahrungen lassen sich Remissionen (Heilungserfolge) umso eher erzielen,

- je früher die Diagnose gestellt wird
- je weniger irreparable Schäden bereits vorliegen
- je eher mit einer geeigneten Therapie begonnen wird
- je früher insbesondere eine ---> langwirksame antirheumatische Therapie eingeleitet wird (Therapie zur Remissionsinduktion, früher auch sogenannte \"Basistherapie\") und
- je besser die langwirksame antirheumatische Therapie an die Erkrankung angepaßt ist (---> krankheitsadaptierte Basistherapie). Dies bedeutet insbesondere den Mut zum Einsatz \"aggressiverer\" Medikamente bei \"aggressiven\", schweren Krankheitsverläufen und auch den frühen Einsatz von sogenannten ---> Kombinationstherapien.

Die wesentliche Chance eines Patienten mit chronischer Polyarthritis liegt heute darin, daß die Erkrankung früh diagnostiziert wird, früh von einem Spezialisten (---> Rheumaspezialisten) behandelt wird (dies ist in der Regel ein Internist mit der zusätzlichen Qualifikation \"Rheumatologie\"), früh nicht nur medikamentöse Behandlungsmethoden zum Einsatz kommen, sondern das gesamte zur Verfügung stehende therapeutische Arsenal genutzt wird (dies geschieht in der Regel bei Therapieeinleitung in spezialisierten ---> Rheumafachkliniken) und in der Folge eine Weiterbetreuung durch einen internistischen Rheumatologen erfolgt, z.B. in entsprechenden Praxen (---> rheumatologische Schwerpunktpraxen) oder in ---> regionalen Rheumazentren. Grund zur Hoffnung besteht allerdings nicht nur bei Beginn einer qualifizierten Therapie im frühen Krankheitsstadium. Von der besonderen Erfahrung der spezialisierten Einrichtungen profitieren auch Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung.

Therapiestrategien der medikamentösen Therapie bei chronischer Polyarthritis

Eine aktive chronische Polyarthritis sollte grundsätzlich mit einem langwirksamen Antirheumatikum (früher sogenannte \"Basistherapie\"; ---> langwirksame Antirheumatika) behandelt werden. Zu diesen Basistherapeutika gehören u.a. solche Medikamente wie ---> Sulfasalazin (z.B. Azulfidene RA, Pleon), intramuskulär verabreichtes Gold (---> Tauredon), ---> Methotrexat (z.B. Lantarel) oder ---> Ciclosporin (Sandimmun, Sandimmun optoral). Diese Medikamente dienen dazu, die Erkrankung in die ---> Remission zu bringen, d.h. den Krankheitsverlauf zu stoppen.

Langwirksame Antirheumatika entfalten ihre Wirksamkeit allerdings erst nach einiger Zeit. Außerdem kann es auch trotz einer an sich gut wirksamen Basistherapie dazu kommen, daß trotz fehlender Entzündungsaktivität im Blut (z.B. normale Blutsenkung, ---> BSG, oder normales c-reaktives Protein, ---> CRP) noch Symptome bestehen. In diesem Fall ist es sinnvoll, zur Kontrolle dieser Symptome zusätzlich zur langwirksamen antirheumatischen Therapie ein Medikament zu nehmen, daß diese Symptome kurzfristig bekämpft. Dafür werden in der Regel Medikamente aus der Gruppe der ---> cortisonfreien Entzündungshemmer eingesetzt. Zu diesen Medikamenten gehören z.B. Diclofenac (z.B. Voltaren), Piroxicam (z.B. Felden), Meloxicam (Mobec) und andere.

Reicht die Wirkung dieser cortisonfreien Entzündungshemmer nicht aus oder sollten sie aus bestimmten Gründen nicht gegeben werden (z.B. wegen Nebenwirkungen, Unverträglichkeit oder Gegenanzeigen), ist die Einnahme von ---> Cortison sinnvoll und notwendig. Ebenso ist die Einnahme von Cortison (unter anderem) immer dann sinnvoll und notwendig, wenn ein Schub besteht oder die Krankheitsaktivität so hoch ist, daß sie mit anderen Mitteln nicht beherrscht werden kann. Der Vorteil von Cortison besteht darin, daß es der stärkste Entzündungshemmer ist, den wir gegenwärtig kennen. Außerdem wirkt es sehr schnell. Der Nachteil von Cortison besteht darin, daß es bei längerdauernder Anwendung (z.B. über Monate) in höheren Dosierungen zu unerwünschten Nebenwirkungen führt (---> Cortison-Nebenwirkungen). Es gibt für einen einzelnen Patienten keine genau vorhersagbare Dosis, ab der es bei längerdauernder Anwendung zu unerwünschten Nebenwirkungen kommt. Als grobe Regel kann man jedoch sagen, daß eine Menge von 5 mg Prednisolon (z.B. Decortin, Decortin H) oder einer vergleichbaren Menge (sogenanntes ---> Prednisolon-Äquivalent) üblicherweise auch bei einer Langzeiteinnahme weitgehend sicher ist bzw. bei der notwendigen Cortisonbehandlung einer chronischen Polyarthritis die möglichen Nachteile deutlich überwiegt. Diese Auffassung wird durch wissenschaftliche Studien gestützt.

Läßt sich auf Dauer wegen einer hohen Krankheitsaktivität der chronischen Polyarthritis die genannte niedrige Menge Cortison (---> low-dose-Therapie) nicht erzielen, muß die Intensität der langwirksamen antirheumatischen Therapie intensiviert werden. Dies kann entweder durch den Wechsel auf ein in der Regel wirksameres Präparat erfolgen (z.B. von Sulfasalazin auf Gold oder Methotrexat o.ä.) oder durch die Kombination von Substanzen, z.B. von Sulfasalazin mit Methotrexat.

Bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität werden heute in der Regel hochwirksame Medikamente wie Methotrexat (z.B. Lantarel) oder Ciclosporin (Sandimmun) sehr früh im Krankheitsverlauf eingesetzt. Durch diese Strategie können Schäden durch die Erkrankung eher verhindert werden als durch einen zu zögerlichen oder verspäteten Einsatz dieses Medikaments. Die Therapie mit Methotrexat (z.B. Lantarel) sowie mit Ciclosporin (Sandimmun) ist unter den entsprechenden Stichworten beschrieben, darüber hinaus bieten die speziellen rheuma-online-Pages zu Methotrexat und Ciclosporin umfangreiche Informationen zur Behandlung mit diesen Substanzen (Links!!!).

Reicht die Wirkung dieser Substanzen alleine nicht aus, werden je nach Krankheitsaktivität und Schwere der Erkrankung Kombinationstherapien verwendet, in der Regel unter Einschluß von Methotrexat, z.B. Methotrexat und Chloroquin (z.B. Resochin) oder Methotrexat und Sulfasalazin (s.o.). Eine hochwirksame Kombination ist das Zusammenwirken von Methotrexat und Ciclosporin. Eine andere mögliche Option bei hoher Krankheitsaktivität und schwer verlaufender Erkrankung ist eine Dreifachkombination aus Methotrexat, Sulfasalazin und Chloroquin.

Durch die Entwicklung der neuen sogenannten ---> biologischen Therapien stehen heute darüber hinaus bald zusätzliche hochwirksame Medikamente zur Verfügung, die auch bei schweren und hochaktiven Krankheitsverläufen eine gute Krankheitskontrolle erhoffen lassen (siehe dazu auch die Stichworte ---> TNF-alpha-Inhibitoren und ---> Etanercept sowie unsere Etanercept/Enbrel-Seiten).