Sandra S.: Ich leide seid fast 15 Jahren an dem sogenannten Sharp-Syndrom. Nehme deswegen Kortison (Decortin H 3,5 mg pro Tag) und Azafalk 100 mg pro Tag. Da ich jetzt 26 Jahre alt bin, mache ich mir Gedanken über eine Schwangerschaft, können sie mir da Informationen zusenden.

Antwort: Das Sharp-Syndrom ist nach seinem Erstbeschreiber Sharp benannt; heute wird es auch als Mischkollagenose bezeichnet. Dabei liegt eine Erkrankung vor, die durch eine "Mischung" verschiedener, normalerweise eigenständiger rheumatischer oder immunologischer Erkrankungen gekennzeichnet ist. Diese einzelnen entzündlich-rheumatischen oder immunologischen Systemerkrankungen wie die -à chronische Polyarthritis (rheumatoide Arthritis), der -à systemische Lupus erythematodes (SLE), das -à Sjögren-Syndrom oder die -à systemische Sklerose (Sklerodermie) prägen die Symptome und Befunde sowie den Verlauf und die Prognose bei der Mischkollagenose bei den einzelnen Patienten in unterschiedlichem Ausmaß. So gibt es Patienten, bei denen vor allem ein Krankheitsbild wie bei einer chronischen Polyarthritis im Vordergrund steht, bei anderen wie bei einem Sjögren-Syndrom, bei wieder anderen wie beim Lupus erythematodes etc.

Die größte Verwandschaft hat das Sharp-Syndrom allerdings im Regelfall mit dem systemischen Lupus erythematodes, so dass man lange auch diskutiert hat, ob es sich bei dem Sharp-Syndrom nicht um eine Sonderform des Lupus handelt. So ist das Sharp-Syndrom genauso wie der SLE durch den Nachweis von -à antinukleären Antikörpern (ANA) im Blut charakterisiert. Allerdings sieht man beim Sharp-Syndrom eine andere Untergruppe von solchen Antikörpern, die man -à ENA nennt. Man kann heute diese ENA noch genauer charakterisieren. Für das Sharp-Syndrom typisch sind sogenannte U1nRNP-Antikörper (die allerdings nicht in jedem Fall nachweisbar sein müssen), während für den Lupus Antikörper gegen doppelsträngige DNA oder aus der Gruppe der ENA sogenannte Sm-Antikörper charakteristisch sind. Auch ist die Prognose beim Sharp-Syndrom und beim SLE unterschiedlich. Beispielsweise kommt es beim Sharp-Syndrom viel seltener zu der beim Lupus gefürchteten Nierenbeteiligung.

Die Therapie beim Sharp-Syndrom richtet sich nach den führenden Manifestationen im individuellen Einzelfall. Dabei orientiert sich die Behandlung allerdings stark an den Vorgehensweisen, die man auch beim systemischen Lupus erythematodes wählt. Wie beim Lupus wird im Regelfall in der Einleitungsphase der Therapie und in Schüben Cortison eingesetzt, oft anfangs auch in relativ hoher Dosierung. Im Verlauf versucht man dann, das Cortison auf die niedrigst-mögliche Dosis abzusenken. Dazu wird üblicherweise parallel zur Cortisontherapie eine immunsuppressive Therapie eingeleitet. Azathioprin (z.B. Imurek, Azathioprin medac oder das bei Ihnen verwendete Azafalk sowie weitere Azathioprin-Präparate) ist dabei ein häufig eingesetztes Medikament. Wie beim Lupus wird alternativ zunehmend auch Methotrexat (Mtx) verwendet; bei Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit kommen je nach Lage der Dinge, insbesondere in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Manifestationen der Erkrankung, z.B. Organmanifestationen, und der Krankheitsaktivität und Krankheitsschwere weitere Immunsuppressiva oder auch Substanzen aus der Gruppe der -à langwirksamen Antirheumatika, z.B. auch Malariamittel wie -à Chloroquin oder -à Hydroxychloroquin zum Einsatz.

Ob es bei einer Frau mit einem Sharp-Syndrom zu Problemen im Hinblick auf eine geplante Schwangerschaft oder im Verlauf der Schwangerschaft kommt, hängt sehr von der individuellen Ausprägung der Mischkollagenose ab. Steht eine stark an den Lupus erythematodes angelehnte Symptomatologie im Vordergrund, ist das Risiko für Komplikationen im Verlauf der Schwangerschaft sowie ein Schub im Anschluß an die Entbindung eher zu erwarten als bei einem Krankheitsbild, dass eher stark an eine chronische Polyarthritis (rheumatoide Arthritis) erinnert. Ausserdem ist im Hinblick auf eine anstehende Schwangerschaft sehr wichtig, ob es im Rahmen der Kollagenose zu Organmanifestationen gekommen ist, ob diese aktuell noch bestehen und ob Organmanifestationen bereits zu bleibenden Schäden im Bereich der Organe geführt haben. Weiterhin wichtig für die Prognose der Schwangerschaft und für die Frage eines gesunden Kindes ist der Nachweis von (-à Anti-Phospholipid-Antikörpern, z.B. -à Kardiolipin-Antikörpern und von -à SSA/-SSB-Antikörpern ("Sjögren-Antikörpern").

Generell ist nach meinem persönlichen Eindruck eine Schwangerschaft bei einer Patientin mit Sharp-Syndrom in der Regel weniger problematisch als bei einer Patientin mit Lupus. Ich kann diesen persönlichen Eindruck allerdings nicht mit Literatur unterlegen (habe dazu allerdings jetzt auch keine intensivere Literaturrecherche gemacht). Wichtig ist allerdings in jedem Fall eine engmaschige internistisch-rheumatologische Mitbetreuung durch einen Arzt, der sich mit der Problematik von Schwangerschaften bei Patientinnen mit Mischkollagenosen und / oder Lupus auskennt. Dies bezieht sich bereits auf das Vorfeld der geplanten Schwangerschaft, selbstverständlich auf die engmaschige Überwachung im Schwangerschaftsverlauf und ebenfalls eine engmaschige Überwachung in der ebenfalls "kritischen" Zeit in den ersten Wochen nach der Entbindung.

Cortison wird auch während der Schwangerschaft selbst in höheren Dosierungen, d.h. oberhalb von 10 mg Prednisolon-Äquivalent (z.B. Decortin, Decortin H) als weitgehend unproblematisch angesehen, ebenso Azathioprin in den üblichen Dosierungen (100 - 150 mg pro Tag).

Experte: Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer