Unklare Symptome! Warum MTX?

Dieses Thema im Forum "Klassische langwirksame Antirheumatika" wurde erstellt von max_s, 17. Oktober 2011.

  1. max_s

    max_s Mitglied

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    Hallo,

    ich habe eine Frage zum Sinn der MTX-Therapie.

    Im September hatte ich einen Termin bei einem, für mich neuen, Rheumatologen.

    Meine Beschwerden sind Schmerzen in beiden Händen, beiden Füßen und in Brustbein bis Rippen (Im Rücken zeitweise auch, aber die kann ich durch Gymnastik beeinflussen). Dazu kommt ein starkes Gefühl von Erschöpfung und Müdigkeit. Meine Fragestellung an den Arzt ist im Wesentlichen, ob die Beschwerden eine rheumatische Ursache haben. Ziel ist die Abgrenzung zu einer vorhandenen anderen Erkrankung.

    Die Untersuchung ergab keine geschwollenen Gelenke, Entzündungswerte (BSG und CRP) sind nicht vorhanden. Aber ANA 1:1280, RNP-AK positiv und CCP-AK positiv. Das Gespräch ergab, dass die Beschwerden keine rheumatische Ursache haben müssen. Meine bestehenden Diagnosen wurden um die Verdachtsdiagnose rheumatoide Arthritis erweitert. Die Empfehlung ist der Beginn einer MTX-Therapie.

    Leider ist mir erst zu hause eingefallen, dass ich den Sinn der MTX-Therapie unter diesen Bedingungen nicht verstehe. Wenn ich keine geschwollenen Gelenke habe und auch keine Entzündungswerte im Blut festzustellen sind, welcher positive Effekt ist dann von der MTX-Therapie zu erwarten?

    Ich habe 2005 schon mal eine MTX-Therapie begonnen. Damals mit geschwollenen Gelenken und Entzündungswerten im Blut. Diese Probleme hatten sich dann deutlich verbessert. Soweit, dass ich auch für 3 Jahre die Nebenwirkungen in Kauf genommen habe. Aber welchen Nutzen kann ich unter den aktuellen Bedingungen erwarten? Oder ist das prophylaktisch zu verstehen, weil die CCP-AK eine herannahende rheumatoide Arthritis ankündigen?
     
  2. Witty

    Witty Aktives Mitglied

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    Du hast eine Mischkollagenose. Darauf weisen die rnp-Werte hin. Evtl. mit Überlappung einer Rheumatoiden-Arthritis wegen den CCP-Antikörpern. Der ist zwar eine Marker für die RA, kann aber auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen vorhanden sein. MTX hat also den gleichen Sinn, wie bei jeder rheuamtischen Erkrankung. Das zu stark und falsch arbeitente Immunsystem soll runtergedrückt werden und die Entzündungen bremsen, damit es wieder normal arbeiten kann. Dick geschwollene Gelenke müßen bei einer Kollagenosen nicht immer vorhanden sein. Das sagt nichts über die Aktivität der Erkrankung aus. Entzündet sind hier häufig die Sehnen, Muskeln und Gefäße. Auch sehr häufig kommt es zu einem Raynaud-Syndrom, das sich ebenfalls unter der Medikamention bessert.
     
  3. oleco90

    oleco90 Mitglied

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    Methotrexat ist ein sogenannter Folsäure-Antagonist, d.h. ein Gegenspieler des Vitamins Folsäure. Die Folsäure spielt unter anderem eine Rolle bei der Zellteilung. In lebenden Organismen findet ja ständig eine Teilung von Zellen statt, damit sich das Gewebe, die Organe und die Blutbildung etc. regelmäßig erneuern können.
    Durch die Gabe von Methotrexat wird die Zellteilung verhindert. Dies ist wünschenswert bei Zellen, die sich zu schnell teilen und damit zu Erkrankungen führen. Bei der rheumatoiden Arthritis und anderen entzündlich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen sind dies die Entzündungszellen, z.B. in der fast tumorartig wuchernden Gelenkinnenhaut von rheumatisch entzündeten Gelenken oder auch in bestimmten Bereichen des Immunsystems.

    Methotrexat bleibt nach der Einnahme bzw. nach der Spritze etwa 24 Stunden im Körper. Anschließend wird es zu einem sogenannten wirksamen Metaboliten abgebaut, d.h. einem Stoffwechselprodukt, das so ähnlich wie Methotrexat wirkt. Danach werden das ursprüngliche Methotrexat und der Metabolit vor allem über die Niere ausgeschieden und sind nicht mehr im Körper. Diese kurze Verweildauer von Methotrexat im Körper ist einer der Gründe für die vergleichsweise gute Verträglichkeit dieser Substanz, insbesondere auch im Hinblick auf die Langzeit-Therapie.

    Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis erfolgt die Therapie nicht durchlaufend, sondern als Einmalgabe in zyklischen Abständen. Durch die einmalige Verabreichung werden nicht alle Zellen an der Teilung gehindert, sondern nur diejenigen, die sich an diesen beiden Tagen gerade in der Teilungsphase befinden. Auf diese Weise werden zwar eine große Zahl von Zellen, die die rheumatische Entzündung verursachen und unterhalten, nicht „erwischt“. Andererseits wird damit sichergestellt, daß sich andere, gesunde Zellen, die der Körper ja für die normalen Körperfunktionen benötigt, anschließend wieder normal teilen können.
    Dies ist der Grund, warum Methotrexat nur einmal in der Woche gegeben werden darf und nicht beispielsweise täglich oder alle zwei Tage. Eine solche Dosierung würde innerhalb von kurzer Zeit zu schweren Nebenwirkungen führen, beispielsweise zu einer drastischen Verminderung der Zahl von weißen Blutkörperchen, der roten Blutkörperchen und der Blutplättchen, da sich diese Zellsysteme sehr schnell und sehr stark ständig erneuern. Zu den Geweben, die sich auch relativ schnell teilen, gehören u.a. die Haare oder auch die Haut und die Schleimhäute. Deshalb käme es bei einer kontinuierlichen Methotrexat-Einnahme auch schnell zu starkem Haarausfall und schweren Schädigungen der Schleimhäute, z.B. im Mund oder auch im Bereich des Magen- und Darmtraktes.

    Da nach einer Einmalgabe von Methotrexat nicht alle Zellen, die man in ihrem Wachstum bzw. an ihrer Teilung hindern möchte, erfasst wurden, muß die Behandlung wöchentlich wiederholt werden. Auf Dauer kommt es dann von Woche zu Woche zu einer zunehmenden Wirkung auf die Zielzellen, die sich im Verhältnis zu den gesunden Körperzellen vergleichsweise öfter teilen und damit mehr als die anderen, normalen Zellen durch die Therapie getroffen werden.
     
  4. max_s

    max_s Mitglied

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    Hallo Witty,
    Hallo Oleco90,

    vielen Dank für eure Antworten.

    Die U1-RNP AK sind zwar ein Marker für die Mischkollagenose, aber nach meinem Informationsstand sind bei einem milden Verlauf keine Immunsuppressiva notwendig. Bezüglich der rheumatoiden Arthritis besteht bisher nur ein Verdacht. Ist es sinnvoll auf den bloßen Verdacht hin schon mit einer MTX-Therapie zu beginnen?

    Wenn die Schmerzen nicht durch die Mischkollagenose verursacht werden, was laut dem Rheumatologen auch nicht sicher zugeordnet werden kann, wäre die MTX-Therapie unter Umständen nicht nötig und damit würde mir erhöhte Infektanfälligkeit und Nebenwirkungen erspart bleiben.

    Darüber hinaus bekomme ich eine Glatirameracetat-Therapie. Diese bewirkt eine Immunmodulation, d.h. bestimmte Teile des Immunsystems werden unterdrückt und andere verstärkt. Als medizinischer Laie würde ich sagen, dass es zumindest nicht widerspruchsfrei ist, wenn ich einen Wirkstoff bekomme der Teile des Immunsystems aktiviert und gleichzeitig einen Wirkstoff nehme der das Immunsystem unterdrückt.
     
  5. oleco90

    oleco90 Mitglied

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    Ich denke das diese Entscheidung bei deinen Ärzten bleiben muss. Wenn dein Arzt meint eine MTX Therapie wäre angebracht würde ich dir dazu raten. Umso länger man wartet umso schlimmer sind die Folgen. Vertrauen deinen Ärzten oder hole dir ggf. eine Zweitmeinung bei einem Facharzt ein.
     
  6. Witty

    Witty Aktives Mitglied

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    Ich mußte erstmal nachlesen, was das für ein Medikament ist, das du da bekommst. Es ist für Multiple Sklerose zugelassen. Hast du diese Erkrankung? Habe bisher noch nie gehört, dass es bei rheumatischen Erkrankungen verwendet wird.
    Ansonsten ist es bei rheumatischen Erkrankungen und vor allem bei den Kollagenosen nicht so gut, das Immunsystem zu stärken, weil die Erkrankung dadurch wieder aufflammen kann. MTX und Cortison (anfangs) ist eigentlich schon bei den Kollagenosen Standardtherapie. Ob die Kollagenose einen milden oder schweren Verlauf hat, ist ja nicht absehbar. Evtl. kann man einen schweren verlauf dadurch auch verhindern.
     
  7. max_s

    max_s Mitglied

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    Hallo Oleco90,

    es ist ja schon die Zweitmeinung. Ende letzten Jahres wurde nach einem teilstationären Aufenthalt in der Rheumatologie eines Krankenhauses Indometacin (NSAR) verordnet. Seitdem wache in nicht mehr Nachts wegen Rückenschmerzen auf, damit war ich schon mal sehr zufrieden. Im Bericht wurde eine Basistherapie erst für notwendig erachtet wenn, das CRP ansteigt oder eine Gelenkschwellung auftritt. Da dies bis heute nicht geschehen ist, trotz weiter bestehender Schmerzen, gäbe es auch keine Empfehlung für ein MTX-Therapie.

    Da einige Monate später per Zufallsbefund eine Multiple Sklerose festgestellt wurde, und damit auch mehrere Symptome der letzten Jahre nun auf einmal der MS, statt wie vorher dem Rheuma, zugeordnet werden, bin ich jetzt dabei die Symptome neu zu sortieren.

    Deswegen habe ich auch den Rheumatologen gewechselt, damit dieser unbelastet von alten selbst gestellten Diagnosen, die Lage neu bewerten kann.

    Was ich jetzt nicht verstehe ist, warum soll ich eine MTX-Therapie beginnen, wenn doch die Schmerzen nicht eindeutig dem Rheuma zugeordnet werden können. Nur auf den Verdacht hin? Wie gesagt, CRP und BSG sind OK und geschwollenen Gelenke sind nicht feststellbar.

    Hallo Witty,

    das Glatirameracetat bekomme ich wegen einer Multiplen Sklerose. Es wurde bei einem stationären Aufenthalt in der Neurologie empfohlen. Die haben sich dabei mit einem Rheumatologen abgesprochen. Vorher hatte ich Interferon beta-1a bekommen, dass hat der besagte Rheumatologe als ungünstig für die Mischkollagenose eingeschätzt.

    Gerade bei einigen Symptomen, die in den letzten Jahren als Teil der Mischkollagenose gesehen worden sind, scheinen wohl eher MS-Symptome vorgelegen zu haben. Und auch da wäre eine frühzeitigere Behandlung von Vorteil gewesen. Jetzt sehe ich natürlich genauer hin und frage mich, in welchen Maß mich die Mischkollagenose überhaupt gesundheitlich beeinträchtigt. Es scheint mir zumindest plausibel, dass die Mischkollagenose bisher einen milden Verlauf hatte, und würde dann auch gerne wissen aus welchem konkreten Grund jetzt eine MTX-Therapie von Vorteil wäre.
     
  8. Witty

    Witty Aktives Mitglied

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    Ich kenne mich mit der MS nicht aus, aber ich frage mich auch, warum man eine Medikament verschreibt, das Teile des Immunsystems stimmulieren soll. Es scheint ja speziell für die MS konzipiert zu sein. Die MS ist eine sog. organspezifische Autoimmunerkrankung und somit ist das Medikament vllt. spez. auf dieses Organ, also das Myelin konzipiert. Ist jetzt aber nur eine Vermutung von mir. Die Kollagenose ist keine organspezifische Erkrankung, sondern eine Systemerkrankung, die praktisch alle Organe betreffen kann. Also könnte das vllt. auch nicht so zusammenpassen mit der Medikation. Wenn die MS gesichert ist, so würde ich jedenfalls nochmal die Medikation mit den Ärzten besprechen und mir das mit dem MTX nochmal erklären lassen, ob es Sinn macht. Ansonsten möchte ich aber auch zu Bedenken geben, dass auch Kollagenosen einer MS täuschend ähnlich sein können. Auch da kann man Entzündungsherde im Kopf finden, die man schwer von einer MS abgrenzen kann. Vllt auch da nochmal bei den Ärzten nachhaken. Das ist eine der Beteiligungen bei Kollagenosen die am schwierigsten festzustellen sind. Leider kann man auch zwei Erkrankungen gleichzeitig haben. Ich wünsche dir jedenfalls gute Besserung und eine gute Zusammenarbeit mit den Ärzten, dass sie die beste Lösung für dich finden.
     
  9. max_s

    max_s Mitglied

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    Hallo Witty,

    nach anfänglichen Zweifeln, auf Grund der bereits bestehende Mischkollagenose, gilt die Diagnose MS als gesichert:
    - Herdbefunde im MRT
    - VEP, Sehnerv pathologisch
    - Liquorpunktion, oligoklonale Banden positiv
    - Vaskulitisparameter unauffällig
    Bezüglich der Behandlung scheinen mir die Ärzte sich nicht sicher zu sein, wie jetzt einzelne Symptome zu bewerten sind und welche Therapieempfehlung sich daraus ergeben würde. Bei der Empfehlung zur MTX-Therapie fiel mir zuerst auf, dass ich nicht erkennen kann welchen positiven Effekt ich denn davon zu erwarten hätte. Aber bei diesen Überlegungen entstand für mich die dringendere Frage, wie zur bestehenden Therapie der Immunmodulation, eine weitere Therapie mit einem Immunsuppressiva passen soll.
    Diese Woche beginne ich eine med. Reha. Ich hoffe, dass dort eine größere Klarheit entsteht, welche Therapie denn jetzt geeignet ist.
     
  10. BienchenSumm

    BienchenSumm summt herum

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    2.497
    @ Oleco90
    Selten habe ich eine so gut verständliche und ausführliche Beschreibung der Wirkungsweise von MTX gelesen.
    Vielen Dank dafür! :top:
     
  11. Rätselchen

    Rätselchen Neues Mitglied

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    Baden-Württemberg
    Schließe mich @BienchenSumm an und bedanke mich auch ganz herzlich für die deutliche Erklärung um was es bei MTX geht.

    LG Rätselchen
     
  12. max_s

    max_s Mitglied

    Registriert seit:
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    67
    Ort:
    Westliches Ruhrgebiet
    Vielen Dank für die Beiträge.

    Fahre Mittwoch früh für 4 Wochen in die Reha und werde wohl in der Zeit nicht online sein. Bis dann.
     
  13. Rätselchen

    Rätselchen Neues Mitglied

    Registriert seit:
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    79
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    Baden-Württemberg
    @max_s: Ich wünsche Dir eine gute Zeit in der Reha und ... komme gestärkt wieder!
    LG Rätselchen
     
  14. oleco90

    oleco90 Mitglied

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    Bitteschön, leider wissen die meisten Ärzte selbst nicht wie es wirkt! Man bekommt immer gesagt, dass es eben dauert aber das warum weiß keiner so genau.
     
    #14 21. Oktober 2011
    Zuletzt bearbeitet: 26. Januar 2012
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