Rehabilitation chronisch kranker Jugendlicher

Dieses Thema im Forum "Allgemeines und Begleiterkrankungen" wurde erstellt von deMehlinger, 26. November 2002.

  1. deMehlinger

    deMehlinger Guest

    Rehabilitation chronisch kranker Jugendlicher

    Dr. med. H. Michels
    Rheumakinderklinik Garmisch-Partenkirchen

    Die momentane Situation der REHA-Versorgung chronisch rheumakranker Jugendlicher

    Vorbemerkung
    Die anbietende Einrichtung muß über eine Mindest-Strukturqualität verfügen

    - spezialisierte ärztlich-medizinische Versorgung
    - spezialisierte Krankengymnastik
    - spezialisierte Ergotherapie einschließlich Möglichkeit zur Hilfsmittelversorgung
    - spezialisiertes Schulungsangebot
    - spezialisierte soziale Betreuung
    - für Schulpflichtige Schulangebot, Möglichkeit zur Berufsberatung.

    Wie bewerten Sie die derzeitige ambulante und stationäre rehabilitative Versorgung sowie deren Rahmenbedingungen (indikationsspezifisch)?

    * Unter den derzeitigen Bedingungen ausreichende Versorgung. Während der akuten Erkrankungsstadien steht zunächst die Akutversorgung der rheumakranken Kinder und Jugendlichen ganz im Vordergrund. Mit zunehmender Stabilisierung der Erkrankung kann der rehabilitative Anteil an der Behandlung schrittweise zunehmen und schließlich im Vordergrund stehen. Einige spezialisierte deutsche Einrichtungen, insbesondere die Rheumaklinikfür Kinder und Jugendliche Garmisch-Partenkirchen, bieten in Zusammenarbeit mit den Versicherungsträgern (BfA, LVA) solche Maßnahmen für alle bekannten rheumatischen Erkrankungen in stationärem Rahmen an. Einzelne Einrichtungen stellen Angebote für bestimmte Erkrankungsgruppen zur Verfügung, z.B. für Sklerodermie im Kindesalter.

    * Das derzeitige Vierstufen-Modell zur Versorgung rheumakranker Kinder und Jugendlicher, das sich sehr bewährt hat, integriert ambulante rehabilitative Maßnahmen.

    Vierstufenmodell:
    Stufe 1 -. Ambulante Betreuung durch den Kinder-/Hausarzt/niedergelassenen Rheumatologen, der in enger Zusammenarbeit mit der Spezialklinik (Stufe 4) die dort erarbeiteten Maßnahmen zusammen mit wohnortnahen Physiotherapie-Praxen umsetzt.
    Stufe 2: Bei Problemen wird die wohnortnahe Klinik für Kinder und Jugendliche miteingeschaltet.
    Stufe 3: Zur relativ ortsnahen spezialisierten Betreuung werden die überregionalen großen Kliniken für Kinder und Jugendliche einschließlich der Universitätskliniken mit ihren Spezialambulanzen für die regelmäßige Verlaufsbetreuung genutzt.
    Stufe 4: 1-2x im Jahr oder bei akuten Problemen wird die überregionale Spezialklinik, z.B. in GarmischPartenkirchen oder in Sendenhorst, zur Therapieüberprüfung und gegebenenfalls -modifikation eingeschaltet.

    * Die auf diese Weise vorgehaltene ambulante rehabilltative Versorgung beruht auf multidisziplinärer Zusammenarbeit, bei der der niedergelassene Arzt zum einen mit
    dem niedergelassenen Augenarzt, dem Orthopäden, der Physiotherapie- und Ergotherapiepraxis zusammenarbeitet, zum andern aber auch mit den überregionalen Spezialambulanzen und Kliniken kooperiert. Weiterbildungskurse für Ärzte, durchgeführt durch die Spezialkliniken, auch im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie, regelmäßige Seminare für Physio- und Ergotherapeuten, ebenfalls von den Spezialklinliken und von den Standesorganisationen angeboten, führten in den letzten Jahren zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung. Ziel ist es, diese Versorgungsebene weiter zu verbessern und bundesweit auf einen Mindeststandard zu bringen.

    * Rehabilitationsmaßnahmen für seltene rheumatische Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters, etwa bei Kollagenosen, bleiben den spezialisierten Zentren vorbehalten.

    * Für rein ambulante REHA-Maßnahmen wie sie z.T. bei erwachsenen Patienten durchgeführt werden, gibt es bei rheumakranken Kindern und Jugendlichen in Deutschland kaum Erfahrungen. Die laufende Schule und Ausbildung erschweren solche Konzepte und würden wohnortnahe Einrichtungen erfordern. Die rheumatischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind jedoch zu selten, als daß flächendeckend isolierte wohnortnahe Angebote mit ausreichender Kompetenz ohne die Möglichkeit der Rückkopplung mit spezialisierten Zentren angeboten werden könnten.

    Wo sehen Sie Problemfelder und Veränderungsnotwendigkeiten (evtl. unter Bezugnahme zur allg. med. Versorgung)?

    * Wenn die Krankenhausfinanzierung auf eine Fallpauschalenvergütung umgestellt wird, wird sich die stationäre Behandlungsdauer weiter verkürzen. Dann wird es den Akutrheumakliniken nicht mehr möglich sein, wie bisher, in die akuten Erkrankungsstadien auch rehabilitative Maßnahmen zu integrieren. Wenn die künftige Entwicklung tatsächlich in die vorgegebene Richtung geht, dürfte mittel- bis langfristig der Bedarf an REHA-Kliniken für rheumakranke Jugendliche (und natürlich auch Kinder) deutlich steigen.

    Nicht-Inanspruchnahme/Nicht-Antragstellung stationärer Rehabilitation von Jugendlichen

    Wie hoch schätzen Sie die (indikationsspezifischen) Häufigkeiten der Nicht-Inanspruchnahme/Nicht-Antragstellung und worin sehen Sie die Gründe dafür?

    Nach unserer Kenntnis werden Rehabilitationsmaßnahmen bei rheumakranken Jugendlichen aus Zeitgründen nicht allzu häufig beantragt. Im Vordergrund steht die unmittelbare Versorgung in Akutrheumakliniken in Verbindung mit der ambulanten Betreuung im Vierstufenmodell (s.o.). Wenn diese Maßnahmen aber beantragt und genehmigt werden, werden sie in aller Regel offensichtlich auch in Anspruch genommen.


    Berufsfindung während der Rehabilitation

    Wie bewerten Sie das gegenwärtige Angebot und den Bedarf an zielführenden Maßnahmen (im Hinblick auf die verschiedenen Indikationen)?

    Berufsfindungsberatung während der Rehabilitation hat sich uns sehr bewährt. Dennoch dürfte das diesbezügliche Angebot zu gering sein und sollte konsequent ausgebaut werden.


    Notwendige und wünschenswerte Veränderungen zu den Themen 1-3

    Notwendig

    • Fortentwicklung und Verbesserung von Struktur- und Prozeßqualität des bewährten Vierstufen-Modells zur Versorgung rheumakranker Kinder und Jugendlicher
    • Verbesserte Angebote auch für Kinder und Jugendliche mit selteneren rheumatischen Erkrankungen wie Kollagenosen oder Vaskulitiden
    • Ausbau der ganzheitlichen Betreuung, etwa entsprechend dem "Garmischer Modell"


    Dr. H. Michels
    Ärztlicher Direktor


    Aus "KID - Kontaktstellen-Info-Dienst
    Rheuma-Kinderklinik, Christel Becker
    Deutsche Rheuma-Liga
    Elternkreise rheumakranker Kinder
    November 2002
     
  1. Diese Seite verwendet Cookies. Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden