Obwohl ja gerade erst der Frühling beginnt, möchte ich mit einem Sommer-Naturgedicht anfangen, weil ich es besonders schön finde. Es ist von Paul Gerhardt, einem Dichter, der am 12. März 1607, also vor über 400 Jahren geboren wurde. Seine Gedichte und Lieder sind immer noch bekannt und aktuell, wenigstens was die Natur betrifft. Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier, und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben. Die Bäume stehen voller Laub, das Erdreich decket seinen Staub mit einem grünen Kleide. Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide. Die Lerche schwingt sich in die Luft, das Täublein fleucht aus seiner Kluft und macht sich in die Wälder, die hochbegabte Nachtigall ergötzt und füllt mit ihrem Schall Berg, Hügel, Tal und Felder. Die Glucke führt ihr Völkein aus, der Storch baut und bewohnt sein Haus, das Schwälblein speist die Jungen, der schnelle Hirsch, das leichte Reh ist froh und kommt aus seiner Höh ins tiefe Gras gesprungen. Die Bächlein rauschen in dem Sand und mahlen sich und ihren Rand mit schattenreichen Myrten die Wiesen liegen hart dabei und klingen ganz vom Lustgeschrei der Schaf und ihrer Hirten. Die unverdroßne Bienenschar fleucht hin und her, sucht hie und dar ihr edle Honigspeise, des süßen Weinstocks starker Saft bringt täglich neue Stärk und Kraft in seinem schwachen Reise. Der Weizen wächset mit Gewalt, darüber jauchzet jung und alt und rühmt die große Güte des, der so überfließend labt und mit so manchem Gut begabt das menschliche Gemüte. Ich selbsten kann und mag nicht ruhn, des großen Gottes großen Tun erweckt mir alle Sinnen: Ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen. Paul Gerhardt (1606-1676)
Frülingserwachen Das Licht kehrt wieder in die Welt nach langer, trister grauer Zeit. Nun grünen endlich Wald und Feld, in stolzer Herrlichkeit. Und alles wird neu angestrichen, mit frischen Farben sozusagen. die Last des Alten ist gewichen, der Staub von vielen Wintertagen. Die ersten Blumen freundlich schauen, Schneeglöckchen, Krokus und Narzissen. Die Kälte schwand im Morgengrauen und keiner wird sie missen. Die lauen, zarten Frühlingslüfte, rütteln noch an kahlen Ästen. Der Wind trägt längst vergangene Düfte und bläst zumeist aus Richtung Westen. Regenschauer, Sonnenschein, wechseln eifrig hin und her, können sich fürwahr nicht einen, was wohl besser wär. Und die Vöglein singen wieder, doch sie singen noch ganz leise, wundersame, schöne Lieder, nach vertrauter, alter Weise. Einfach so ganz über Nacht, ohne ihm gut zuzureden, kam des Frühlings grosse Macht, bringt dem Garten Leben.
Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein, In den Auen läutest du, Läutest in dem stillen Hain, Läute immer, läute zu, läute immer zu! Denn du kündest frohe Zeit, Frühling naht, der Bräutigam, Kommt mit Sieg vom Winterstreit, Dem er seine Eiswehr nahm. Darum schwingt der goldne Stift, Daß dein Silberhelm erschallt, Und dein liebliches Gedüft Leis' wie Schmeichelruf entwallt: Daß die Blumen in der Erd' Steigen aus dem düstern Nest, Und des Bräutigams sich wert Schmücken zu dem Hochzeitsfest. Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein, In den Auen läutest du, Läutest in dem stillen Hain, Läut' die Blumen aus der Ruh'! Du Viola, zartes Kind, Hörst zuerst den Wonnelaut, Und sie stehet auf geschwind, Schmücket sorglich sich als Braut. Hüllet sich in's grüne Kleid, Nimmt den Mantel sammetblau, Nimmt das güldene Geschmeid, Und den Brillantentau. Eilt dann fort mit mächt'gem Schritt, Nur den Freund im treuen Sinn, Ganz von Liebesglück durchglüht, Sieht nicht her und sieht nicht hin. Doch ein ängstliches Gefühl Ihre kleine Brust durchwallt, Denn es ist noch rings so still, Und die Lüfte weh'n so kalt. Uns sie hemmt den schnellen Lauf, Schon bestrahlt von Sonnenschein, Doch mit Schrecken blickt sie auf, Denn sie stehet ganz allein. Schwestern nicht, nicht Bräutigam Zugedrungen! und verschmäht! Da durchschauert sie die Scham, Fliehet wie vom Sturm geweht. Fliehet an den fernsten Ort, Wo sie Gras und Schatten deckt, Späht und lauschet immerfort, Ob was rauschet und sich regt. Und gekränket und getäuscht Sitzet sie und schluchzt und weint, Von der tiefsten Angst zerfleischt, Ob kein Nahender erscheint. Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein, In den Auen läutest du, Läutest in dem stillen Hain, Läut die Schwertern ihr herzu! Rose nahet, Lilie schwankt, Tulp' und Hyazinthe schwellt, Windling kommt daher gerankt, Und Narciss' hat sich gesellt. Da der Frühling nun erscheint, Und das frohe Fest beginnt, Sieht er alle, die vereint, Und vermißt sein liebstes Kind. Alle schickt er suchend fort, Um die eine, die ihm wert, Und sie kommen an den Ort, Wo sie einsam sich verzehrt. Doch es sitzt das liebe Kind Stumm und bleich, das Haupt gebückt, Ach! der Lieb' und Sehnsucht Schmerz Hat die Zärtliche erdrückt. Schneeglöcklein, o Schneeglöcklein, In den Auen läutest du, Läutest in dem stillen Hain, Läut Viola sanfte Ruh'. Franz von Schober (1798-1882)
Es färbte sich die Wiese grün Und um die Hecken sah ich blühn, Tagtäglich sah ich neue Kräuter, Mild war die Luft, der Himmel heiter. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Und immer dunkler ward der Wald Auch bunter Sänger Aufenthalt, Es drang mir bald auf allen Wegen Ihr Klang in süßen Duft entgegen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Es quoll und trieb nun überall Mit Leben, Farben, Duft und Schall, Sie schienen gern sich zu vereinen, Daß alles möchte lieblich scheinen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. So dacht ich: ist ein Geist erwacht, Der alles so lebendig macht Und der mit tausend schönen Waren Und Blüten sich will offenbaren? Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Vielleicht beginnt ein neues Reich. Der lockre Staub wird zum Gesträuch Der Baum nimmt tierische Gebärden Das Tier soll gar zum Menschen werden. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Wie ich so stand und bei mir sann, Ein mächtger Trieb in mir begann. Ein freundlich Mädchen kam gegangen Und nahm mir jeden Sinn gefangen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Sie ging vorbei, ich grüßte sie, Sie dankte, das vergeß ich nie. Ich mußte ihre Hand erfassen Und Sie schien gern sie mir zu lassen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Uns barg der Wald vor Sonnenschein Das ist der Frühling fiel mir ein. Kurzum, ich sah, daß jetzt auf Erden Die Menschen sollten Götter werden. Nun wußt ich wohl, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. ~ Novalis
Frühling Was rauschet, was rieselt, was rinnet so schnell? Was blitzt in der Sonne? Was schimmert so hell? Und als ich so fragte, da murmelt der Bach: "Der Frühling, der Frühling, der Frühling ist wach!" Was knospet, was keimet, was duftet so lind? Was grünet so fröhlich? Was flüstert im Wind? Und als ich so fragte, da rauscht es im Hain: "Der Frühling, der Frühling, der Frühling zieht ein!" Was klingelt, was klaget, was flötet so klar? Und als ich so fragte, die Nachtigall schlug: "Der Frühling, der Frühling!" - da wusst' ich genug! Seidel, Heinrich (1842-1906)
Ich ging im Walde So vor mich hin, Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn. Im Schatten sah ich Ein Blümlein stehn, Wie Sterne blinkend, Wie Äuglein schön. Ich wollt es brechen, Da sagt' es fein: Soll ich zum Welken Gebrochen sein? Mit allen Wurzeln Hob ich es aus, Und trugs zum Garten Am hübschen Haus. Ich pflanzt es wieder Am kühlen Ort; Nun zweigt und blüht es Mir immer fort. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Er ist's Frühling lässt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohl bekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. - Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab' ich vernommen! Eduard Möricke (1804-1875)
Come sing a song of springtime, Of springtime, of springtime. Come sing a song of springtime, The warm days are here. With warm breezes blowing And flowers all growing Come sing a song of springtime The warm days are here. -written by Teresa Thomassen
Drei Tage Regen fort und fort, Kein Sonnenschein zur Stunde; Drei Tage lang kein gutes Wort Aus meiner Liebsten Munde! Sie trutzt mit mir und ich mit ihr, So hat sie‘s haben wollen; Mir aber nagts am Herzen hier, Das Schmollen und das Grollen. Willkommen denn, des Jägers Lust, Gewittersturm und Regen! Fest zugeknöpft die heiße Brust, Und jauchzend euch entgegen! Nun sitzt sie wohl daheim und lacht Und scherzt mit den Geschwistern; Ich hört in des Waldes Nacht Die alten Blätter flüstern. Nun sitzt sie wohl und weinet laut Im Kämmerlein, in Sorgen; Mir ist es wie dem Wilde traut, In Finsternis geborgen. Kein Hirsch und Rehlein überall! Ein Schuß zum Zeitvertreibe! Gesunder Knall und Widerhall Erfrischt das Mark im Leibe. - Doch wie der Donner nun verhallt In Tälern, durch die Runde, Ein plötzlich Weh mich überwallt, Mir sinkt das Herz zu Grunde. Sie trutzt mit mir und ich mit ihr, So hat sie‘s haben wollen, Mir aber frißts am Herzen hier, Das Schmollen und das Grollen. Und auf! und nach der Liebsten Haus! Und sie gefaßt ums Mieder! »Drück mir die nassen Locken aus, Und küß und hab mich wieder!« Eduard Mörike (1804-1875)
Frühlingslied Leise zieht durch mein Gemüth Liebliches Geläute; Klinge, kleines Frühlingslied, Kling hinaus ins Weite Sprich zum Vöglein, das da singt Auf dem Blütenzweige; Sprich zum Bächlein, das da klingt, Daß mir keines schweige! Zieh hinaus bis an das Haus, Wo die Veilchen sprießen! Wenn du eine Rose schaust, Sag, ich laß sie grüßen! Heinrich Heine
**** Die Nachtigall, sie war entfernt; Der Frühling lockt sie wieder; Was Neues hat sie nicht gelernt, Singt alte, liebe Lieder. (Goethe)
**** Winter ade! So hört doch, was die Lerche singt! Hört, wie sie frohe Botschaft bringt! Es kommt auf goldnem Sonnenstrahl Der Frühling heim in unser Tal, Er streuet bunte Blumen aus Und bringet Freud' in jedes Haus. Winter, ade! Frühling, juchhe! Was uns die liebe Lerche singt, In unsern Herzen wiederklingt. Der Winter sagt: ade! ade! Und hin ist Kälte, Reif und Schnee Und Nebel hin und Dunkelheit - Willkommen, süße Frühlingszeit! Winter, ade! Frühling, juchhe! August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
O Sonnenschein, o Sonnenschein! Wie scheinst du mir ins Herz hinein, Weckst drinnen lauter Liebeslust, Daß mir so enge wird die Brust! Und enge wird mir Stub' und Haus, Und wenn ich lauf zum Tor hinaus, Da lockst du gar ins frische Grün Die allerschönsten Mädchen hin! O Sonnenschein! Du glaubest wohl, Daß ich wie du es machen soll, Der jede schmucke Blume küßt, Die eben nur sich dir erschließt? Hast doch so lang die Welt erblickt, Und weißt, daß sich's für mich nicht schickt; Was machst du mir denn solche Pein? O Sonnenschein! o Sonnenschein! Robert Reinick (1805-1852)
Die Liebe saß als Nachtigall im Rosenbusch und sang; es flog der wundersüße Schall den grünen Wald entlang. Und wie er klang, da stieg im Kreis aus tausend Kelchen Duft, und alle Wipfel rauschten leis', und leiser ging die Luft; die Bäche schwiegen, die noch kaum geplätschert von den Höh'n, die Rehlein standen wie im Traum und lauschten dem Getön. Und hell und immer heller floß der Sonne Glanz herein, um Blumen, Wald und Schlucht ergoß sich goldig roter Schein. Ich aber zog den Weg entlang und hörte auch den Schall. Ach! was seit jener Stund' ich sang, war nur sein Widerhall. Geibel, Emanuel (1815-1884)
Vorfrühling Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung an der Wiesen aufgedecktes Grau. Kleine Wasser ändern die Betonung. Zärtlichkeiten, ungenau, greifen nach der Erde aus dem Raum. Wege gehen weit ins Land und zeigens. Unvermutet siehst du seines Steigens Ausdruck in dem leeren Baum. Rainer Maria Rilke
Frühling Nun ist er endlich kommen doch In grünem Knospenschuh; "Er kam, er kam ja immer noch" Die Bäume nickten sich´s zu. Sie konnten ihn all erwarten kaum. Nun treiben sie Schuss auf Schuss; Im Garten der alte Apfelbaum, Er sträubt sich, aber er muß. Wohl zögert auch das alte Herz. Und atmet noch nicht frei, Es bangt und sorgt : " Es ist erst März, Und März ist noch nicht Mai." O schüttel ab den schweren Traum. Und die lange Wintersruh´: Es wagt der alte Apfelbaum, Herze wag´s auch du. Theodor Fontane
Herz, mein Herz Herz, mein Herz, sei nicht beklommen und ertrage dein Geschick. Neuer Frühling, gib zurück, was der Winter dir genommen. Und wie viel ist dir geblieben, und wie schön ist noch die Welt! Und mein Herz, was dir gefällt, alles alles darfst du lieben! Heinrich Heine
Erinnerung In meiner Erinnerung erblühen die Bilder, die längst verwittert- Was ist in deiner Stimme, das mich tief erschüttert? Sage nicht, das Du mich liebst! Ich weiß, das Schönste ist auf Erden, der Frühling und die Liebe, es muß zu Schanden werden. Sag nicht, das Du mich liebst! Und küsse nur und schweige, und lächel, wenn ich dir morgen die welken Rosen zeige. Heinrich Heine
Hoffnung Und dräut der Winter noch so sehr mit trotzigen Gebärden, und streut er Eis und Schnee umher, es muß doch Frühling werden. Und drängen die Nebel noch so dicht sich vor dem Blick der Sonne, sie wecket doch mit ihrem Licht einmal die Welt zur Wonne. Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht! mir soll darob nicht bangen, auf leise Sohlen über Nacht kommt doch der Lenz gegangen. Da wacht die Erde grünend auf, weiß nicht, wie ihr geschehen, und lacht in den sonnigen Himmel hinauf und möchte vor Lust vergehen. Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar und schmückt sich mit Rosen und Ähren und lässt die Brünnlein rieseln klar, als wären es Freudenzähren. Drum Still! Und wie es frieren mag, o Herz, gibt dich zufrieden! Es ist ein großer Maientag der ganzen Welt beschieden. Und wenn dir oft auch bangt und graut, als sei die Höll´auf Erden, nur unverzagt auf Gott vertraut! Es muß doch Frühling werden. Emanuel Geibel
Die Amsel singt, die Drossel schlägt, der Kuckucksruf erschallt, von Bienen ist die Luft bewegt, die Sonne lacht, der Windhauch trägt den herben Duft von Wald. Kommt, laßt uns alle fröhlich sein, denn herrlich ist die Welt mit Blumenduft und Sonnenschein, mit Tier und Wald und Feld. Es fließt der Bach, der Kiesel rollt und die Forelle springt, das Kätzchen in den Bäumen tollt, der Teich ist wie geschmolznes Gold und tausendfach beringt. Kommt, laßt uns wandern durch das Land, das liebend uns umfängt, und faßt das Glück mit fester Hand, das uns so reich beschenkt. Was uns umgibt, der grüne Hain, die Berge, Flüsse, Seen, die Äcker und der Wiesenrain gehören uns, sind mein und dein - wenn wir zusammenstehn. Kommt, die ihr unsre Heimat liebt und ihre Schönheit ehrt, ergreift, was euch das Leben gibt, kommt, zeigt euch seiner Wert! Max Zimmering