Demut

Dieses Thema im Forum "Allgemeines und Begleiterkrankungen" wurde erstellt von jutta S., 18. Dezember 2005.

  1. jutta S.

    jutta S. Guest

    Gestern kam eine liebe Familie zu mir einen kleinen Hund abholen. Die Frau kam ganz langsam , ich wunderte mich schon. Als Sie sich endlich zu mir gequält hatte, sah ich warum. Chron. Pol. in schlimmster Form. So ziemlich alle Gelenke waren verformt. Die Hände waren kaum einsetzbar,die Knie so dick wie meine Oberschenkel, die Wirbelsäule befallen.....mir tat schon beim hinsehen alles weh.
    Doch diese Frau war fröhlich , machte Späße und war so lebensfroh das ich richtig beschämt war.
    Da jammere ich herum und bei mir ist eigentlich alles noch soweit funktionstüchtig und hardere mit dem Schicksal, anstatt dankbar zu sein, für jeden Tag den ich doch noch so klar erleben darf.

    Ich weiß es gibt immer schlimmer Betroffenene und das hilft mir nicht wenn die Schmerzen da sind, doch ich denke , es ist schon wichtig auch eine gewissen Demut zu bewahren, sich nicht an meinem "ehemaligen gesunden Zustand " zu messen sondern dankbar zu sein, dass ich noch so gut beisammen bin.
    Wenn ich das nächste mal mal wieder is so ein Loch zu fallen drohe, hoffe ich , das mir diese Erkenntnis wieder vor Augen geführt ist.

    Ich wünsche euch allen einen schönen 4. Advendt.
    LG Jutta
     
  2. HermineGranger

    HermineGranger Neues Mitglied

    Registriert seit:
    11. Dezember 2005
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    Hallo Jutta,

    ich hörte mal einen Spruch dazu: Es ist nicht schlimm, mal in einem Loch zu sitzen, man darf es nur nicht tapezieren.

    Finde ich irgendwie ganz treffend.

    Gruß
    Hermine
     
  3. Neana

    Neana Universaldiletant

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    Hallo Jutta,
    ich finde es wichtig, sich nicht an dem zu messen, was man alles mal konnte. Wenn man nur im Kopf und vor Augen hat, was man alles früher konnte vergißt man was man heute kann.
    Ich habe vor vielen Jahren mal das Buch gelesen "Krankheit als Weg" oder so ähnlich. Nach der Lektüre habe ich überlegt an was mich meine Krankheit hindert. Und das war ein durchschlagender Erfolg. Ich hatte mir keine Ruhe gegönnt, hab mein Wohlbefinden vernachlässigt weil alles wichtiger war als ich. Seit ich einen gesunden Egoismus entwickelt habe, sind meine Schmerzen zwar nicht weniger geworden, aber mein Sichtweise hat sich geändert. Wenn es jetzt wehtut, dann weiß ich das ich eine Auszeit brauche und nehm sie mir. Und ich hab gelernt um Hilfe zu bitten, was ich sonst nie gemacht habe.
    Zwar wär es schöner, wenn ich keine Schmerzen mehr hätte, aber da ich das nicht ändern kann, nutzt es auch nichts, wenn ich darüber jammere, wie früher alles schöner war.
    In diesem Sinn und liebe Grüße
    Neana
     
  4. devlin

    devlin Neues Mitglied

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    186
    Alles eine Einstellung zum Leben.

    Denn:

    Und wenn Du lang genug in einen Abgrund schaust,
    dann schaut der Abgrund auch in dich hinein.

    Also nicht soweit kommen lassen.
     
  5. jutta S.

    jutta S. Guest

    ich muß mich nur erinnern

    der letzte Spruch ist echt gut.
    War Schicksal , dass nun gerade diese Frau zu mir herein kam. Es sollte so sein , dass ich von meinem Selbstmitleid wachgerüttelt wurde, um zu erkennen, was ich doch noch alles kann.
    Ich hoffe es bleibt in mir und weicht nicht wieder dem so hartnäckigen Selbstmittleid. Wenn nicht könnt - nein müßt- ihr mich erinnern.
    Jammern ok, heulen auch, aber nicht in Schmerz versinken und mutlos werden.
     
  6. Monsti

    Monsti das Monster

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    Hallo Jutta,

    Du sagst es! Nichtsdestotrotz wird es immer mal wieder Tage geben, an denen man die Vorsätze vergisst - ich denke, das ist vollkommen normal. Nur zur Gewohnheit sollte es nicht werden, weil's uns ja tatsächlich nicht weiterhilft.

    Einen wunderschönen 4. Advent und liebe Grüße!
    Monsti
     
  7. Juania

    Juania Neues Mitglied

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    Hallo,
    ich denke auch das es normal ist wenn man mal schlecht drauf ist und dem nachtrauert was man mal leisten konnte.
    Mir geht es im Vergleich zu vielen anderen ja auch noch richtig "gut".
    Das sehe ich unter anderem immer wieder beim Arzt und dann bin ich dankbar
    dafür. Klappt nicht immer, aber immer öfter.
    Liebe Grüße Juania
     
  8. Lilly

    Lilly offline

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    hallo jutta,

    ich hatte ein ähnliches schlüsselerlebnis zu beginn meiner cp. da hatte ich auch ein frau getroffen, die aber noch viel jünger wie ich war. sie hatte total verformte gelenke, ihr ganzer körper war von cp gezeichnet. aber sie strahlte so viel optimismus aus, ich konnte sehen wie sie ihre verformten gelenke trotzdem noch einsetzten konnte (sie war geschickt und einfallsreich- nur helfen muss man sich können ;) ), was sie noch alles bewerkstelligen konnte trotz ihrer schweren behinderung (der geist ist ja nicht krank, unsere denkfähigkeit bleibt ja erhalten).
    das hat mir mut gegeben, sie ist eine art *vorbild* für mich..........
     
  9. sunny22

    sunny22 Neues Mitglied

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    Baden-Württemberg
    Liebe Rheumis,
    ich habe kurz nachdem ich meine Rheumadiagnosen bekam, für ein Jahr im Krankenhaus gearbeitet und dort unter anderem Krebsstationen betreut. Ich habe dort so viele schwere Schicksale erlebt, dass ich meine Erkrankung in einem anderen Licht zu sehen begann. Wenn ich mal wieder im Selbstmitleid zu versinken drohe, dann wird mir ganz schnell bewusst, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können. Trotzdem muss sich ein gesunder Egoismus entwickeln, denn wir müssen auf uns achten! Natürlich gibt es auch bei mir diese tiefen dunklein Löcher, aber meistens schaffe ich es auch bald wieder raus. Wichtiger ist, die positiven Dinge im Leben zu sehen. Und die gibt es bei uns allen !!!
    Liebe Grüße Sunny
     
  10. SonjaW

    SonjaW Neues Mitglied

    Registriert seit:
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    97
    Hallo

    Stimmt, es könnte immer noch schlimmer sein. Das muss man sich ab und zu vor Augen halten. Ich arbeite am Bahnschalter, und sehe sehr oft total verformte Gelenke. Oft tut mir nur schon der Anblick weh. Oft sind das ältere Personen, und dann wird mir bewusst, dass ich Glück habe, in dieser Zeit, und nicht vor 50 Jahren die Krankheit bekommen zu haben. Obwohl die Ursachen noch nicht erforscht sind, gibt es so viele Medis und auch Erkenntnisse über die Wirkung. Da bin ich wirklich froh und dankbar dafür. Trotzdem.. die schwarzen Löcher sind nicht ganz aus dem Weg zu räumen. Aber die Erfahrung zeigt, dass man so schnell, wie man hineinfällt auch wieder "herausspringen" kann.
    Euch allen einen schönen Tag, bald ist Weihnachten, Juhu!

    SonjaW
     
  11. jutta S.

    jutta S. Guest

    Ich wünsche uns

    ...das wir uns immer wieder ein Bißchen Optimismus freihalten können, damit wie in den dunklen Zeiten Licht reinschimmern sehen können.

    Wißt ihr was, eigentlich ist dieses Forum hier ein ganz schön freundliches Licht, schön das auch ich es gefunden habe.#

    So können wir uns gegenseitig immer mal eine Kerze unter die Nase halten - schöner Gedanke, so kann jeder Mal ein Licht sein und darf auch mal im Schatten stehen, denn es ist ja immer jemand da der dir den Weg hinausleuchtet.

    Bin heute schwer poetisch( lach)
     
  12. Gitta

    Gitta Aktives Mitglied

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    16. Juni 2003
    Beiträge:
    3.476
    Ort:
    Bärlin :-)
    Boah!!

    Jutta,
    lass blos die Kerze unter meiner Nase weg :);) . Ich möchte doch nicht ankokeln.
    Aber gute Besserung, die wünsche ich dir.Du hast aber sehr wohl recht, es gibt immer Menschen, die wesentlich mehr Probleme haben. Etwas mehr Demut und auch Dankbarkeit, würde vielen Menschen gut tun.Aber nicht nur den Ungesunden.
    Biba
    Gitta
     
  13. Sabinerin

    Sabinerin Bekanntes Mitglied

    Registriert seit:
    30. April 2003
    Beiträge:
    3.234
    Hallo Jutta,

    jeder geht auf seine Weise mit einer Erkrankung oder anderen Problemen um, jeder muß seinen Weg und seine Lösungsmöglichkeiten finden.

    Ich stimme Dir in manchen Dingen zu. Neben dem eigenen Problemen ist es m.E. wichtig, sich selbst auch in der Gesamtheit zu sehen. Der einzelne Mensch ist nun mal nicht "der Nabel der Welt", es gibt noch viele andere Menschen um ihn herum ;) .

    Ich persönlich vergleiche meine Erkrankung nicht mit den anderen Menschen. M.E. kann man Erkrankungen nicht vergleichen.
    Ausserdem werden weder Schmerzen noch Einschränkungen weniger, wenn ich weiß, daß andere schlimmer betroffen sind.

    Meine Einschränkungen sind gravierend, weil Handgelenke und Fingergelenke arg zerstört sind. Egal was ich also mache, die Hände sind und bleiben das Problem. Hinzu kommen natürlich noch andere Gelenke.

    In den letzten Jahren habe ich nach Dingen gesucht, die ich trotzdem machen kann, sei es Hobbys oder andere Engagements.

    Trotzdem vergesse ich nicht, daß es viele andere Menschen gibt, denen es sehr schlecht geht, ohne meine persönliche Betroffenheit mit der Betroffenheit anderer Menschen ins Verhältnis zu setzen.

    Ich bin der Meinung, daß wir hier in Deutschland keinen Grund zum Klagen haben. Den meisten Menschen geht es gut, wir leben ohne Naturkatastrophen, haben Wohnungen und werden satt.
    Leider gibt es Menschen, die durch das soziale Gitter fallen und diese Menchen haben nichts, ausser sich und das Hab und Gut in der Plastiktüte.
    Ob es diesen Menschen schlechter geht als mir, kann ich nicht beurteilen, weil diese Menschen ihr Leben ganz für sich allein betrachten.

    Trotzdem hat jeder Mensch das Recht zu klagen, jammern, traurig sein, so wie andere Menschen das Recht haben glücklich und zufrieden zu sein.

    Demut...ein großes Wort...ob das in diesem Zusammenhang so passt möchte ich nicht beurteilen.

    Ich finde es ist wichtig, manches nicht starr zu sehen und so manches Problem zu relativieren.

    Wenn die finanziellen Mittel knapp sind, dann kann man es nicht relativieren, wenn man Hunger hat, dann kann man den nicht wegdenken.
    Hat man so schlimme Schmerzen, daß man meint wahnsinnig zu werden, dann können diese Schmerzen nicht einfach ignoriert und weggedacht werden, so wie man den Schmerz nicht wegschieben kann, wenn man einen geliebten Mensch verliert.

    Dazwischen ist jedoch so viel Platz für viele andere und positive Gefühle.

    Hinderlich sind die Gedanken "Aber das konnte ich früher.." oder "Wenn ich daran denke, was ich früher alles gemacht habe....". Diese Gedanken müssen zwangsläufig einen Menschen in einen emotionalen Sumpf ziehen.
    Es ist nicht einfach, aber es ist ein, zwei, drei Versuche wert, nicht zurück sondern nach vorne zu schauen. Was kann man trotz der Erkrankung bzw. gibt es andere, neue Hobbys oder Beschäftigungen, die man trotz der Einschränkungen wahrnehmen kann? So etwas befindet sich selten zum Greifen nahe, man muß manchmal etwas länger suchen ;)

    Vielleicht hilft es dem ein oder anderen, wenn er versucht aus seinen kreiselnden Gedanken herauszukommen, indem er nach den ersten und einfachen Lösungsstrategien schaut.
    Nein, weder die Erkrankung noch die Einschränkungen werden damit aufgehoben, aber evt. kann man etwas Positives finden, was manchmal einfach gut tut...trotz Erkrankung.

    Wenn alles grau in grau erscheint, können auch einzelne positive Gedanken gut und tröstlich sein und vor allem das tiefe Grau erhellen.

    Herzliche Grüße
    Sabinerin
     
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