Einfach mal Gefühle sprechen lassen....wo kann ich das, wenn nicht hier ?

Dieses Thema im Forum "Kaffeeklatsch" wurde erstellt von tigge1979, 22. August 2005.

  1. tigge1979

    tigge1979 Guest

    Hallo zusammen, ihr Lieben,


    ich bin mal wieder auf dem Weg in ein dunkles Loch und freue mich daher umso mehr, dass ich heute Nachmittag einen Termin bei meiner Verhaltenstherapeutin habe.

    Mein Lebensgefährte fährt für eine Zeitlang weg und ich bin mit meiner Tochter auf mich allein gestellt.

    Hilfe wurde mir angeboten - aber von Menschen, die mir eher praktisch helfen wollen.

    Natürlich fällt mir vieles schwerer und der Haushalt bspw. ist mir mittlerweile schon ziemlich schnurz. Ich mache das Nötige, mehr nicht.

    Aber echte Hilfe würde für mich bedeuten, dass sich jemand intensiv um meine Tochter kümmert, wenn es mir mal schlecht geht. Und dafür hat niemand Zeit, weil sie selbst zu eingespannt sind.

    Ich mache mit meiner Tochter dann ruhigere Sachen, aber ich fühle, dass sie einen ordentlichen Bewegungsdrang hat, den ich ihr nicht erfüllen kann.

    Zum Anderen möchte ich gern mal meine Sorgen und Ängste besprechen; dass, was mir auf der Seele liegt. Zum Beispiel wie es berufsmässig mit mir weitergehen soll, wie ich mich fühle, meine Träume, meine Verzweiflung.

    Dafür habe ich niemanden.

    Mein Lebensgefährte versucht mich sicherlich zu beruhigen und schlägt mir auch Kompromisse vor, aber eher so nach dem Motto:

    Das wird die Zeit schon richten.

    Und so fühle ich mich momentan einfach nicht ! Ich möchte etwas Greifbares, etwas, das ich angehen kann. Ich bin ein praktischer Mensch und ich hasse es, in der Schwebe zu sein.

    Dann möchte ich einfach mal wo anrufen können und erzählen. So jemanden gibt es aber nicht, bzw. wenn ich mal mit jemandem über meine Krankheit spreche, dann heisst es nach kurzer Zeit:

    "Du, ich muss erstmal Schluß machen, ich habe noch das und das vor."

    Oder:

    "Das wird schon wieder, lass uns mal wann anders darüber reden, ich habe nicht soviel Zeit."


    Und dabei ist mein Herz noch so voll von ungesagten Dingen, die mein Herz beschweren und versuchen, es zu zerdrücken....aber niemand hört mich.


    Ich verstehe, dass es unbequem ist, wenn jemand über seine Krankheit sprechen möchte. Und ich möchte ja auch nicht nur von der Fibro sprechen, aber manchmal ist es doch so, dass ich unendlich traurig bin, dass ich enttäuscht bin, hoffnungslos....einfach Trost brauche. Und niemand gibt ihn mir.

    Und gerade WEIL mir kaum jemand zuhört, fange ich an zu überspielen, damit ich mich auch mal lange mit jemandem unterhalten kann. Ich unterhalte mich dann über die alltäglichen Dinge, aber in meiner Seele frißt die Verzweiflung, die Wut, die Enttäuschung, die Sorge.....

    Nur wen interessiert es ?

    Ich werde immer trauriger, ziehe mich immer mehr zurück, weil ich einfach niemanden finde, der mich so annehmen kann, wie ich bin. Ich fühle mich, als ob ich anderen lästig bin mit meinen Problemen. Aber braucht nicht jeder mal ein offenes Ohr zum Zuhören ?

    Wenn ich jemanden konkret um Rat frage, dann heisst es:

    "Wie kann ich Dir helfen ? Soll ich Deine Wohnung mal mit aufräumen?"

    "Nein," antworte ich, "ich möchte einfach eine Perspektive. Vielleicht können wir mal über meine Zukunft reden. Du kennst mich, wie meinst Du, kann ich es angehen? Bitte hilf mir doch dabei."

    Dann bekomme ich zu hören, dass mir niemand anderes helfen kann. ICH selbst müsse mir helfen, ich muss mein Leben regeln, und abnehmen kann mir sowieso niemand die Erkrankung.

    Ja, das weiss ich... und ich bemühe mich, damit zu leben, auch wenn es noch oftmals verflixt schwerfällt. Aber ich habe die Diagnose noch nicht lange, und ich muss mich noch damit anfreunden, so es denn geht.

    Es ist ja eh so eine Sache.

    Wenn ich erzähle, dass ich Fibro habe, werde ich nicht ernst genommen. Weder von Freunden, noch von Ärzten oder Therapeuten. Nur meine Verhaltenstherapeutin wiegelt es nicht ab und mein Freund auch nicht. Aber konkret beistehen können sie mir nicht. Sie verstehen nicht mein Inneres, mein Herz.....

    Von mir wird erwartet, dass ich die Fibro bekämpfe. Dass ich alles an fördernden Maßnahmen mitnehme, was es gibt und dann wird es mir schon wesentlich besser gehen.

    Aber darf ich nicht auch einfach mal jammern, einfach mal traurig sein, einfach mal mut- und hilflos sein ?

    Ich weiss nicht, was ich möchte.

    Aber oftmals drängt sich mir der Gedanke auf, dass ich gar nicht mehr möchte. Ich habe Depressionen, schon lange und schon mehrmals habe ich versucht, mich umzubringen. Ich bin deswegen in Behandlung, keine Sorge - aber es steckt halt in mir drinnen.

    Mittlerweile bin ich erwachsener geworden, ich weiss vom Verstand her, dass ich mich nicht einfach lösen kann und Selbstmörder feige sind.

    Ich möchte nicht gehen, es ist nur ein Schrei - ein Schrei nach Verstehen, nach Beistehen, nach Hilfe.


    Und gerade so eine Person wie mich trifft nun die Fibro - eine Person, die eh keine große Lust am Leben hatte.

    Mit der Geburt meiner Tochter änderte sich so vieles. Ich lebe wieder gern, meistens zumindest. Sie ist mein Sonnenschein und für sie mache ich weiter.

    Ich lerne wieder, dass auch für mich das Leben schöne Seiten bereithält und es gelingt mir vermehrt, sie zu genießen. Ich kann der Sonne entgegenlachen und mich freuen, dass die Luft nach Blumen duftet. Ich kann im Regen springen und mich freuen, dass ich die Tropfen auf meinem Gesicht spüre. Ich kann den Nebel empfangen und seine feuchte Umarmung schätzen. Ich mag den Wald mit seinen Geräuschen, seiner Stille, seinem freundlichen und doch aufregendem Wesen.


    Aber dürfen wir nicht manchmal auch nicht mehr wollen ? Wir müssen doch nicht perfekt sein.

    Vielleicht klingt es schlimmer, als ich mich fühle. Aber wenn ich erst einmal anfange zu schreiben, dann fließt es aus mir heraus. Das sind meine aktuellen Gefühle - und heute Nachmittag können sie schon wieder anders sein.

    Ich möchte mich meines Lebens freuen - aber ich möchte auch die Erlaubnis haben, mal mutlos zu sein.

    Welt da draußen, lasst mich auch mal leiden -

    damit ich gestärkt aus dieser Phase herausgehen kann in eine neue Welt der schönen Empfindungen, des Gerne-Lebens.....

    Die Welt ist schön, und ich baue mir meine kleine Welt so zurecht, wie ich es möchte.

    Von heute an gibt es in meiner Welt einen Platz,

    in dem ich auch mal traurig sein darf, ohne dass ich mich meiner Tränen schämen muss.


    In der ich auch mutlos sein darf, ohne mich zusammenreissen zu müssen.


    In der ich auch mal mehrere Tage hintereinander nicht gut drauf sein darf, ohne dass gleich gefragt wird, was mir diesmal über die Leber gelaufen ist.


    Ich möchte in meiner Welt nicht funktionieren müssen.

    Ich möchte einfach nur ICH sein.

    Damit ich dann - wenn ICH es möchte - mich der großen Welt wieder stellen kann, gestärkt, und voller neuer Kraft, bereit, dem Leben und seinen Schwierigkeiten zu trotzen.

    Heute möchte ich traurig sein.... ich möchte weinen können, weil weinen die Seele reinigt. Weil Weinen so verdammt wichtig ist, damit wir spüren, dass wir Gefühle haben, dass wir Menschen sind, dass wir nicht funktionieren und perfekt sein müssen.

    Ich möchte weinen darum, dass ICH nicht perfekt bin, dass ich krank bin mit einer Krankheit, die von vielen belächelt wird. Ich möchte darum weinen, dass ich mir mein Leben anders vorgestellt habe. Ich möchte traurig sein darüber, dass mir vieles versagt bleibt.

    Und dann möchte ich mich freuen. Ich möchte mich freuen darüber, dass es noch schlimmer hätte kommen können. Ich möchte dankbar für meine Tochter sein und ich möchte mich an ihrem Lachen erfreuen. Ich möchte mich an all den schönen Dingen erfreuen, die die Natur für mich bereit hält. Ich möchte in der Sonne tanzen und den vorbeisegelnden Wolken hinterherwinken.

    Meine Seele braucht Ruhe....sonst zerbricht sie irgendwann. Und Gott weiß, ich ertrage nicht viel mehr als das, was mir passiert ist.

    Ich nehme mir das Recht, Ruhe für mich zu beanspruchen. Ich nehme mir das Recht, Tränen für mich selbst zu vergießen. Ich möchte einfach mal egoistisch sein und niemandem Rechenschaft über mein Verhalten abgeben müssen.

    Ich möchte einfach ICH sein..... wo, wenn nicht in meiner kleinen Welt, kann ich das ?


    Grollt mir nicht, wenn ich mir heute mal Luft machen muss und dieses Luftmachen euch vielleicht komisch vorkommt.

    Wir sind alle Menschen, mit so vielen unterschiedlichen Empfindungen. Wir müssen sie nicht immer in einen Kanal pressen, wir müssen uns nicht immer so verhalten, wie es andere von uns erwarten. Wir dürfen auch mal aus uns herausgehen - wir können zeigen, wie wir wirklich sind. Ohne Norm, ohne Schema, einfach natürlich, so wie wir erschaffen wurden und so, wie wir selbst sein möchten.

    Wir selbst sollten uns am wichtigsten sein. Jeder Einzelne von uns steht sich selbst am nächsten.

    Denn nur, wenn wir uns selbst so annehmen können, wie wir sind, ohne Schuldgefühle deswegen haben zu müssen, nur dann können wir mit anderen fühlen.

    Ich fühle mit jedem Einzelnen von euch, ich denke an euch und wünsche euch das Beste.

    Herzliche Grüße von einer heute sehr melancholischen, aber dennoch innerlich gelösteren


    Manuela
     
  2. Sabinerin

    Sabinerin Bekanntes Mitglied

    Registriert seit:
    30. April 2003
    Beiträge:
    3.234
    @Tigge

    Liebe Manuela,

    ich finde es sehr gut, daß Du Deinen Frust, Deine Gedanken runtergeschrieben hast. Das erleichtert enorm :)

    Helfen...natürlich wollen Dir andere Menschen helfen, aber das was Du jetzt benötigst, kann ein Einzelner, ein Privatmensch, vor allem ein Freund bzw. jemand aus der Familie nicht leisten.

    Dafür ist Dein Umfeld zu betroffen, zu nahestehend, zu involviert. Und deshalb finde ich es sehr gut, daß Du therapeutische Hilfe in Anspruch nimmst.
    An dieser Stelle ist jemand gefragt, der geschult ist und der objektive beurteilt.
    Ich wünsche Dir von Herzen, daß Du auf einen Menschen triffst, mit dem Du gut klarkommen wirst. Du weisst ja, daß Du 5 Probestunden hast *knuddel*

    Deine Gedanken sind nachvollziehbar, aber liebe Manuela, das kann ein Freund, eine Bekannte nicht leisten.
    Die praktische Hilfe ist schon eine gute Unterstützung und deshalb nimm sie an.
    Hast Du jemanden gefragt, ob er Deine Tochter mal nehmen kann? Wie sieht es mit Kindergartenfreunden aus? Könnte nicht eine der Mütter Deine Tochter mal mit nach Hause nehmen?

    Es könnte Dir auch helfen, wenn Du eine Art Tagebuch führst. Also einfach mal alles runterschreiben, was Du denkst, was Dich bewegt. Das hilft Dir, einiges später nochmals zu durchdenken.

    Was Deinen Freund angeht: Dein Freund ist zu stark involviert, als daß er Dir wirklich helfen kann. Ihr steht gemeinsam vor eines großen und neuen Problem. Damit muss auch Dein Freund erst einmal klarkommen.

    Redet miteinander und versuche den größten Teil Deines Frusts bwz. Deiner Ängste beim Therapeuten zu lassen. Dort wirst Du die beste und hilfreichste Unterstützung bekommen bzw. neue Lösungswege erarbeiten.

    Du kannst Deinen Kummer auch hier schreiben, das weisst Du :)

    Viele Grüße und *vorsichtigknuddel*
    Sabinerin
     
  3. shirana

    shirana Auf den Hund gekommen *g*

    Registriert seit:
    30. April 2003
    Beiträge:
    976
    Ort:
    vor dem Wasser, hinter dem Wasser überall Wasser ;
    Liebe Manuela,

    vieles was ich dir schreiben wollte, hat Sabinerin ja schon erwähnt.

    Ich find es gut, das du den Mut hast, deine Gefühle hier zu offenbaren, so früh in deinem "neuen" Leben mit der Krankheit.
    soweit ich mich zurückerinnern kann, konnte ich das sooo früh noch nicht.

    Wenn ich damals die Möglichkeit gehabt hätte, wäre mir seelisch vielleicht auch einiges erspart geblieben. Daher ist dein Schritt schonmal der richtige.

    Egal welchen Schritt du gehst, es wird nie der falsche sein, denn auch aus falschen Schritten kann man lernen und andere Perspektive sichten.

    Deine Gedanken versteh ich zu gut.
    Hilfe ja, aber nicht Hife beim z.B. Haushalt, sondern ich brauchte damals auch die Hilfe die ich bei meinen Gedanken brauchte, das Chaos in mir zurechtzubiegen und der Reihe nach in Regale zu ordnen.

    Diese Gedanken wird jeder, der egal an welcher Erkrankung auch immer, haben. Gepaart mit Hilflosigkeit.

    Dies alles sind Lernprozesse, sie kommen nicht sofort, dafür braucht man Geduld. Geduld , die man am Anfang aber nicht haben will, weil es soll ja irgendwie weitergehen.

    Am Anfang stürzte alles auf einmal über einem her.

    Hilfen gab es für mich erst fast 3-4 Jahre später, weil ich dachte, mir kann eh keiner helfen.
    Quatsch...sie gibt es überall um dich herum, ich hab sie nur nicht gesehen.

    Bis ich mich einem Therapeuten öffnen konnte, hat es lange gedauert. Erst langsam bin ich auf den einigermassen richtigen Weg gekommen und aus den falschen Wegen hab ich gelernt.

    Sehr viel hat mir eine 6wöchige Rehamaßnahme geholfen in eine psychosomatische Klinik, die auf Schmerzpatienten spezialisiert ist.
    Med. konnten sie mir nicht weiterhelfen, aber im Verhalten . Besser mit Schüben und Schmerzen umzugehen, Schmerzumlenkung, andere Wahrnehmungen, Körperreisen, Entspannungstechniken usw.....

    Wie sieht es denn mal aus mit einer Mutter-kind-kur? Besteht da nicht da Möglichkeit, mal was zu unternehmen.
    Gibt Freundinnen oder andere Mütter, die mal für einen Nachmittag deine Tochter nehmen würden?
    Gibt es etwas, was dir persönlich auch Entspannung gibt?

    Wenn Hilfe angeboten wird, nimm sie auch, auch im Haushalt.
    Rede auch mit deiner Tochter ( altesentsprechend). Kinder sind verständnisvoller als Erwachsene.

    Für dich persönlich: Schreibe jeden Abend , vor dem Zubettgehen auf, was du schönes erlebt hast.
    Das müssen keine Grossen Dinge sein. Nein, gerade die kleinen Dinge des Lebens sind es.
    Versuche mit schönen GEdanken ins Bett zu gehen.
    Ich weiss, in einem Tief ist es so gut wie nie möglich. Wenn du schon unruhige GEdanken hast, dann überleg dir, was ist daran schlimm? Was kann schlimmsten Fall passieren? Würde das überhaupt eintreten?
    Wer oder Was könnte mir bei diesem Problem helfen?
    Und auch wie?
    Würd ich diese Hilfe annehmen, wenn nein, warum nicht, was ist daran schlimm, wenn ich es nicht tue?
    Mehr als Nein sagen, kann keiner.

    Sind es die Beruflichen Probleme, wer kann da ein Ansprechpartner sein?
    Arbeitsamt, Berufsberater usw....

    Würde mir ein Antrag auf GdB beim Versorgungsamt nützlich sein?


    Manuela, du bist schon auf dem richtigen Weg und du wirst das auch schaffen. Stück für Stück und bedenke die Wege sind nie immer gerade aus, viele haben Biegungen und Abzweigungen.
    sei mutig und versuche nicht immer den geraden Weg, denn du weisst nie, was in den anderen Wegen dich erwartet. Vielleicht vieles Gutes?

    Fühl dich lieb in den Arm genommen, du bist nicht alleine!!!!


    aufmunterne Grüsse
    kiki
     
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