Nachblutung

Dieses Thema im Forum "Allgemeines und Begleiterkrankungen" wurde erstellt von eierwally, 13. April 2005.

  1. eierwally

    eierwally Neues Mitglied

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    Hi Leute,
    es paßt zwar nicht zum Thema Rheuma, aber ich glaube, daß ich hier trotzdem Menschen finde, die mich verstehen, weil viele von euch schon Extremsituationen erlebt haben, oder gerade erleben.
    Es ist jetzt genau 1 Jahr und 1 Woche her, daß ich meine Mandeloperation hatte, weil damals noch die Vermutung nahe lag, daß es sich bei mir um eine reaktive Arthritis handelt.
    Also ist es jetzt genau 1 Jahr her, daß ich meine Nachblutung hatte, an der ich fast gestorben wäre.
    Heute geht es mir wieder besser, aber am Wochenende mußte ich die ganze Zeit daran denken und habe immer zu weinen begonnen. Ich bin ja gerade in Finnland und kann deswegen mit meinen Freunden und mit meiner Familie nur telefonieren.
    Ich habe am Wochenende auch mit meinem Freund telefoniert, und er hat einfach nicht verstanden, warum ich denn weine, wenn es ja eh gut ausgegangen ist (ich glaube, er hat mich sogar verstanden, wollte es aber irgendwie verdrängen und mich nicht traurig sehen, 2000 km weit weg).
    Ich habe ihm gesagt, daß es mir gar nicht darum geht, wie es ausgegangen ist, sondern um die Erfahrung an sich. Ich habe mich die ganze Zeit wieder im Krankenwagen liegen gesehen, mit dem ganzen Blut, das aus meinem Mund geronnen ist. Und ich habe immer an meinen Vater denken müssen, der ein sehr ruhiger und besonner Mensch ist, aber die ganze Zeit nervös hin und her gelaufen ist, weil er selber Arzt ist, und gewußt hat, wie das ausgehen kann. Obwohl er nie Emotionen zeigt, fängt er heute noch zu weinen an, wenn er daran denkt. Deswegen wollte ich auch irgendwie nicht mit meinen Eltern darüber sprechen, weil für sie das sicher noch schlimmer ist als für mich. Immerhin sind sie dem Krankenwagen hinterhergefahren (KH war 40 km weit weg) und mein Vater hat die ganze Zeit nicht gewußt, was mit mir ist. Und immerhin war es meine Mutter, der der Arzt am nächsten Tag gesagt hat, er hat nicht geglaubt, daß ich lebend ankomme.
    Ich habe dann zwar mit meinen Eltern darüber gesprochen, aber sie sehen das ganze eben doch aus einem anderen Blickwinkel. Für sie ist es eher die Vorstellung, was wäre gewesen...; bei mir ist es eben eher die furchtbare Erfahrung an sich; obwohl ich eigentlich nicht weiß, warum ich weinen muß, wenn ich daran denke, denn immerhin ist es ja gut ausgegangen...
    Aber ich glaube, ich habe das einfach noch nicht verarbeitet, weil ich bis jetzt auch noch nie darüber nachgedacht habe, weil ich eh mit meiner Krankheit beschäftigt bin.
    Vielleicht versteht ihr mich, und vielleicht habt ihr ein paar Tips für mich, wie man erklären kann, warum man weint...
    Danke jedenfalls fürs zuhören/lesen!
    Nayla
     
  2. Trixi

    Trixi (vor)laut

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    Hallo Eierwally,

    schön wieder von dir zu hören - auch wenn du im "fernen" Finnland bist. Nun - soweit ich das verstanden habe, "kiefelst" du grad an einem Problem, das vor einem Jahr war, oder?

    Hmmm - ich kann dich sehr gut verstehen, bei mir machen sich Gedanken dieser Art gerade in den letzten Monaten breit, obwohl ich schon eine kleine Ewigkeit Zeit habe/hatte mich an Aufs und Abs und an Zwischenfälle zu gewöhnen. Manchmal überkommt mich eine Situation, die für mich persönlich total tragisch war, erst nach einer Weile und bringt mich ins Grübeln und Nachdenken - meine Nächsten stehen dann ebenso hilflos daneben, wie offensichtlich dein Freund.

    Ich habe für mich nun den Weg der Cranio Sacral Therapie gefunden. Ich arbeite mit dieser Therapieform mit Hilfe einer Therapeutin seit mehr als einem Jahr und kann sagen, dass ich seither die "Kunst des Aufarbeitens" gelernt habe. Seit ich die Cranio mache, kann ich viel klarer über vergangene Situation denken, komme damit ins Reine und flippe nicht nachträglich nocheinmal aus oder zermürbe mir den Kopf nach dem Motto:"was wenn nicht irgendwas gewesen wäre". Die Cranio Sacral ist eine sehr umfassende Therapie - ich glaube es würde zu weit führen, hier eine Abhandlung darüber zu schreiben.

    Wichtig ist fürs erste, dass du in Situation der totalen Aufgewühltheit und vielleicht auch Trübsinnigkeit einen Weg findest, ruhig zu werden, tief durchzuatmen (vielleicht ein Spaziergang?) um klar darüber nachzudenken - nie zu vergessen, dass das alles Vergangenheit ist. Es ist wichtig aus diesem Muster rauszukommen - damit du nicht immer wieder tief abstürzt, wenn du wieder irgendwo "hängen bleibst".

    Ich weiß - klingt alles sehr einfach - ist aber ein langer Lernzprozess. Eines ist noch wichtig - wenn du heute Tränen über etwas Vergangenes vergießt, dann ist das gut. Meist sind das Tränen, die längst geweint hätten werden müssen.

    Alles Gute wünscht
    Trixi
     
  3. Marie2

    Marie2 nobody is perfect ;)

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    hallo nayla,

    es gibt erlebnisse, die begleiten einen ein leben lang!
    und dein erlebnis wird dazu gehören, und vermutlich wird dies
    auch nicht das letzte mal sein, dass dich darüber solche gefühlsregungen
    überkommen. im laufe der zeit werden sie allerdings ruhiger.
    meine meinung ist, sie zu verdrängen bringt nichts, aber dramatisieren
    auch nichts. durchlebe sie einfach, danach wird es dir besser gehen!
    ich kann dich gut verstehen, mir bleibt ein lebenlang die erinnerung erhalten,
    wie meine tochter und ich mitten in einer massenkarambolage verletzt wurden.
    ich drück dich mal lieb, und hoffe, du kommst aus diesem tief bald wieder raus!

    herzliches trösterle
    marie
     
  4. Ruth

    Ruth Bekanntes Mitglied

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    Hallo, Eierwally!

    Tips habe ich nicht für Dich, kann auch nicht erklären,warum man weinen muß - aber ich finde es richtig und sehr verständlich, daß Dich diese Erinnerung sozusagen überwältigt und daß Du geweint hast. Das war ja wirklich eine sehr traumatische Situation, und ich als psychologischer Laie denke,daß Du schon auf einem guten Weg der Verarbeitung bist. Vielleicht ist auch das hier Niederschreiben ein Schritt dahin. Ich glaube, es ist wichtig, solch ein Erlebnis nicht zu verdrängen - das tust Du ja auch nicht - aber nachdem Du es in der Erinnerung noch einmal nachvollzogen hast,kannst Du es vielleicht sozusagen "in Deinem Inneren ruhen lassen", um Dich jetzt wieder Deinen neuen, interessanten Lebensumständen in Finnland zuzuwenden? Wenn Du nach Deiner Rückkehr noch das Gefühl hast, es belastet Dich zu sehr, könntest Du zu einem Psychologen gehen, um ein paar Gespräche zu führen.
    Viele liebe Grüße sendet Dir Ruth
     
  5. Monsti

    Monsti das Monster

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    Hallo Nayla,

    vor einem guten Jahr bekam ich nach einer subtotalen Dickdarmresektion eine Peritonitis und in rasendem Tempo darauf eine allgemeine Sepsis mit beginnendem Organversagen. Die Zeit damals war eigentlich der pure Horror, zumal ich selbst gespürt hatte, dass es in jedem Moment aus sein kann. Das damals war für mich zwar nicht das erste, so haarscharf am Tod-vorbei-Erlebnis, aber sicher das Einschneidenste. Komischerweise war ich in jener Zeit ausgesprochen ruhig, innerlich wie äußerlich.

    Aber seit einiger Zeit kommt es wieder, und zwar gaaaaanz anders als vor 14 Monaten. Plötzlich habe ich fast jede Nacht einschlägige Alpträume, wache nachts völlig durchgeschwitzt auf, fange an zu schwitzen und zu zittern, wenn ich nur an die Zeit von damals denke (wie jetzt grad auch wieder), kriege richtig Panik, die ich im Jänner letzten Jahres aber überhaupt nicht hatte, obwohl sie zu jenem Zeitpunkt tatsächlich angebracht gewesen wäre - jetzt sicher nicht mehr, denn es geht mir den Umständen entsprechend wirklich gut.

    Bei mir ist es eine schon seit 6 Jahren diagnostizierte "chronifizierte Posttraumatische Belastungsstörung". Offenbar neige ich zu so einem überflüssigen Mist. Heute sage ich mir: Egal, wann ich gewisse Erlebnisse abarbeite, die einen tun es sofort, die anderen halt später. Zu letzteren gehöre ich wohl :D - vielleicht Du auch ...

    Ich weiß nicht, ob ich Dir mit meinen Gedanken weiterhelfen konnte. Aber es tat mir einfach mal gut, das von mir zu geben, bitte verzeih.

    Liebe Grüße von
    Monsti (normal eigentlich kein Stück depri)
     
  6. Glitzerchen

    Glitzerchen Guest

    Grüße am eierwally

    Du, wenn das stimmt. was mein verhaltenstherapeut immer sagte, liegt es an den schubladen und verwinklungen unseres hirns. es ist alles sehr verschachtelt und manchmal sind es mimiken, worte, oder situationen, die alles wieder auf den plan bringen. niemand weiß warum, das ist unser innnenleben. möglich, das du eine situation hattest, die genau das hervor gerufen hat. für mich ist eins sicher, du hast es verdrängt, aber nicht aufgearbeitet. du kannst nichts dafür- was mir auffällt, du versuchst deine eltern zu schützen. aber mal ehrlich, es sollte nicht so sein. ich drücke dich und bin sicher, das irgendwo in den letzten tagen etwas war, das bei dir genau dies auslöste.
    versuch nicht, dem zu entkommen, es nutzt nix. schade ist nur, das es für sich so weit weg von deinem umfeld ist. Weine und irgendwann ist es einfacher.

    Liebe Grüße
    Glitzerchen
     
  7. klaraklarissa

    klaraklarissa Neues Mitglied

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    Sachsen - Anhalt
    hallo nayla,

    weine die tränen, die sich angestaut haben. sie wollen raus ....sie müssen raus. deine situation erklären kann ich auch nicht, wäre wohl auch vermessen, denn jeder durchlebt solch eine oder eine ähnliche vergleichbare situation total anders. viele faktoren spielen dabei eine rolle: ...momentane persönliche situation bezogen auf soziales umfeld, arbeit oder nicht, freunde, familie, liebe, hass, sehnsucht .. halt alles was das "menschsein" ausmacht.
    verstehen kann ich, wie es dir geht. vor gut 13 jahren war ich in einer ähnlichen situation wie monsti vor gut einem jahr... sehr sehr krank. die schweren erkrankungen (ich brachte 4 monate am stück in einer klinik zu) die in einer sepsis "enden" sollten haben mein leben total verändert. ich bekam eine andere sichtweise auf "das leben". ich seh mich noch heute im bett liegen, die besorgten blicke der ärzte und schwestern, meiner familie und freunde spührend, diemich aber irgendwie "nichts angingen" ....... ich war sehr sehr ruhig, so wie monsti es auch schon beschrieb. das erkläre ich damit, das ich in dem moment gefasst war, das ich vom krankenbett nicht wieder aufstehen werde, es war mir sehr bewußt, weinen konnte ich zu dieser zeit nicht.... ich war leer, hatte monatelang gekämpft ....... ich in mir innen, die ärzte mehr aussen an mir ... vielleicht wollte ich zu dem zeitpunkt einfach nur "meine ruhe haben"?? ich weis es nicht. es war eine lebenserfahrung, die ich keinem wünsche. ich dachte immer, das ich das alles gut verarbeitet habe ...aber das stimmte wohl nicht. auf diese erkrankungen folgte mein erster rentenantrag, der mir weitere 5 jahre kraft meines noch so jungen leebens kosten sollte :( ..5 jahre ewigkeit... 5 jahre ohne ein befriedigendes ergebnis :mad: .
    irgendwann in dieser zeit, erklärte ich einer sachbearbeiterin von ??? ...weis ich nicht... wie es mir ergangen ist und brach dabei in tränen aus. das passierte mir noch ziemlich oft. ich denke, das mir einfach erst später bewußt wurde, wie nahe ich zu der zeit doch dem tode schon war.
    heute, wo ich diese zeilen hier schreibe, bin ich ganz ruhig. 13 jahre liegen dazwischen, mittlerweile bin ich eu-rentner, wenn auch auf grund anderer erkrankungen ... oder war das damals der urknall? der beginn? ..keine ahnung. es gibt leider heute zeiten, da empfinde ich die pss als ähnlich schwere erkrankung, als sehr sehr belastend, denn mein leben hat sich im grunde wieder verändert, wieder für mich zum nachteil, wieder gegen mich :confused: ... mit der heutigen situation klarzukommen habe ichmir zum ziel gesetzt. manchmal denke ich, ich habs geschafft, merke dann aber, das alles wie eine fassade ist, denn ich bin, wenn ich ehrlich bin, der situation nicht oder kaum gewachsen, habe aber, da ich oft in der rheumaklinik bin, dort eine psychologin, die sich sehr um mich bemüht ... mal schauen. leider hat sich eine ganz liebe freundin von mir zurückgezogen, es geht ihr selbst nicht gut. ich hoffe noch immer, das eines tages das telefon klingelt ..... .

    sorry, das ich dich jetzt auch noch mit meinen problemen und empfindungen zugeschüttet habe, aber wenn man erfahrungen weitergibt, können sicherlich viele ähnlich betroffene davon profitieren ....
    ..was einem keiner abnehmen kann: jeder geht seinen ganz eigenen weg..wirklich helfen kann man sich wohl nur selbst, aber es ist gut, wenn man auf diesem weg hilfe von außen bekommt und auch annehmen kann.

    dir wünsche ich, das die zeit diese wunde schließen wird, das du dir hilfe holen kannst, von der familie, einem therapeuten oder freunden.
    rede drüber, erkläre deinem frend noch einmal, wie es dir die tage in finnland erging ... wenn er dich liebt, wird er sich bemühen, dich zu verstehen.
    alles liebe
     
  8. eierwally

    eierwally Neues Mitglied

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    ich hab ja gewußt, warum ich mich an euch wende

    hallo ihr Lieben,
    einen vielen lieben Dank für die netten Antworten.
    Ich glaube wohl auch, daß ich das eben erst jetzt verarbeite und nicht schon damals, und auch nicht dazwischen, weil es da noch soviel anderes zum verarbeiten gab/gibt.
    Bitte keine entschuldigungen für eure Geschichten, das hat mir ganz enorm geholfen, weil ich selber schon dachte, daß ich vielleicht überreagiert habe.
    jetzt weiß ich, daß es ganz "normal" ist.
    Die spaziergänge und das sich-am-leben-erfreuen geht hier oben vorzüglichst. mein täglicher Gang auf die Uni ist ein Spaziergang durch einen wunderschönen Wald.
    Das auslösende erlebnis, war wohl, daß ich im Bett gelegen bin, was getrunken habe, und dadurch die Speiseröhre weh getan hat (ihr kennt das sicher, ich glaube, das passiert, wenn man zuviel Luft schluckt, oder so). Und das war eben ein ähnliches Gefühl, wie das Essen damals am nächsten Tag, weil mir der Magen ausgepumpt wurde, und danach einfach meine Speiseröhre sehr gereizt war.
    Danke jedenfalls, hat mir echt sehr geholfen!
    Lg
    Nayla
     
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