Der richtige Moment?

Dieses Thema im Forum "Kaffeeklatsch" wurde erstellt von Glitzerchen, 10. März 2005.

  1. Glitzerchen

    Glitzerchen Guest

    Mein bester Freund ...
    Mein bester Freund öffnete die Kommodenschublade seiner Ehefrau
    und holte ein in Seidenpapier verpacktes Päckchen heraus.
    Es ist nicht irgendein Päckchen, sondern ein Päckchen mit Unterwäsche darin.

    Er warf das Papier weg und betrachtete die Seide und die Spitze.
    "Dies kaufte ich als wir zum ersten Mal in New York waren.

    Das ist jetzt 8 oder 9 Jahre her. Sie trug es nie.
    Sie wollte es für eine besondere Gelegenheit aufbewahren.
    Und jetzt, glaube ich, ist der richtige Moment gekommen!"

    Er näherte sich dem Bett und legte die Unterwäsche zu den anderen
    Sachen, die von dem Bestattungsinstitut mitgenommen wurden.

    Seine Frau war gestorben.

    Als er sich zu mir umdrehte, sagte er: "Bewahre nichts für einen
    besonderen Anlass auf! Jeder Tag den du lebst, ist ein besonderer Anlass.

    Ich denke immer noch an diese Worte.
    Sie haben mein Leben verändert

    Heute lese ich viel mehr als früher und putze weniger.
    Ich setze mich auf meine Terrasse und genieße die Landschaft,
    ohne auf das Unkraut im Garten zu achten.
    Ich verbringe mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden
    und weniger Zeit bei der Arbeit.

    Ich habe begriffen, dass das Leben eine Sammlung
    von Erfahrungen ist, die es zu schätzen gilt.

    Von jetzt an bewahre ich nichts mehr auf.
    Ich benutze täglich meine Kristallgläser.
    Wenn mir danach ist, trage ich meine neue Jacke,
    um in den Supermarkt zu gehen.
    Auch meine Lieblingsdüfte trage ich dann auf,
    wenn ich Lust darauf habe, anstatt sie für Festtage aufzuheben.

    Sätze, wie z B. "Eines Tages ..." oder "An einem dieser Tage"
    sind dabei, aus meinem Vokabular verbannt zu werden.

    Wenn es sich lohnt, will ich die Dinge hier und jetzt sehen, hören und machen.
    Ich bin mir nicht ganz sicher, was die Frau meines Freundes
    gemacht hätte, wenn sie gewusst hätte, dass sie morgen nicht mehr sein wird
    (ein Morgen, das wir oft zu leicht nehmen).

    Ich glaube, dass sie noch ihre Familie und engen Freunde angerufen hätte.
    Vielleicht hätte sie auch ein paar alte Freunde angerufen, um
    sich zu versöhnen oder sich für alte Streitigkeiten zu entschuldigen.

    Der Gedanke, dass sie vielleicht noch chinesisch essen gegangen wäre
    (ihre Lieblingsküche), gefällt mir sehr.

    Es sind diese kleinen unerledigten Dinge,
    die mich sehr stören würden, wenn ich wüsste,
    dass meine Tage gezählt sind.

    Genervt wäre ich auch, gewisse Freunde nicht mehr gesehen zu haben,
    mit denen ich mich "an einem dieser Tage" in Verbindung hätte setzen sollen.

    Genervt, nicht die Briefe geschrieben zu haben,
    die ich "an einem dieser Tage" schreiben wollte.

    Genervt, meinen Nächsten nicht oft genug gesagt zu haben,
    wie sehr ich sie liebe.

    Jetzt verpasse, verschiebe und bewahre ich nichts mehr,
    was uns Freude und Lächeln in unser Leben bringen könnte.

    Ich sage mir, dass jeder Tag etwas Besonderes ist jeder Tag,
    jede Stunde sowie jede Minute ist etwas Besonderes.

    Liebe Grüße
    Gitta
     
  2. Roddy

    Roddy Neues Mitglied

    Registriert seit:
    9. August 2004
    Beiträge:
    119
    Ort:
    Kellinghusen
    Hallo Glitzerchen,


    wie Recht du doch hast mit deinen Worten.

    Da ist es immer, als wenn es mit dem kleinem Malte von meiner Tante und meinem Onkel eben erst war.

    Am Samstag ist es jetzt 3 Jahre her, dass der Kleine (er war 2,5 Jahre alt) vom Trecker überfahren wurde.

    Es ist einfach schrecklich, dass er nie wieder kommt. Ich hätte ihn so gerne aufwachsen gesehen. Er war nur 10 Monate älter als unser "Großer". Und sie waren sich so ähnlich.

    Jetzt wo ich das schreibe, fangen an mir schon wieder die Tränen über die Wangen zu laufen, aber irgetwie verstehe ich es immer noch nicht...

    Naja, seid dem sehe ich viele Dinge auch anderes. Ich versuche hier und jetzt zu leben, und wenn ich gerne etwas möchte, dass ich es nciht lange weg schiebe.

    Man weiß ja wirklich nicht, wann der letzte Tag für ein selber bzw. für seine Liebsten ist...

    Deshalb bin ich auch zur Zeit wenig im Forum hier.
    Wir bauen gerade ein Häusle und die beiden Kinder halten einen ja doch auf trap. Aber es lohnt sich. Man wird mit ganz vielen kleinen Lächeln bezahlt. Und dann weiß man wieder, warum man das alles macht und für wen.

    Wünsche euch allen noch einen schönen Tag, ein schönes Wochenende und ein bissel mehr Sonne.

    Liebe Grüße,
    Roddy
     
  3. Bernadette

    Bernadette Bernadette

    Registriert seit:
    19. Mai 2004
    Beiträge:
    32
    Ort:
    noch zu Hause
    Drück dich Roddy, diese Erfahrung wirst dich ein Leben lang begleiten, besonders da dein Sohn im (fast) gleichen Alter ist, wirst du immer daran denken. Aber es ist halt so wie es ist.
    Eine gute Bekannte war mit mir zusammen ausgezählt (bei meiner 3.Schwangerschaft und Fehlgeburt). Immer wenn ich die Tochter sehe, denke ich so wär dein Kind jetzt auch.
     
  4. Melisandra

    Melisandra immer auf der Suche...

    Registriert seit:
    15. November 2003
    Beiträge:
    2.218
    Ort:
    auf dem Land
    Tja,


    irgendwann haben oder werden wir alle einmal eine solche Erfahrung im Leben machen. Jeder will die Augen verschließen und nicht daran denken, dass er selbst einmal betroffen ist.

    Eine Freundin von mir hat ihren 12jährigen Sohn nach langer Krankheit verloren. Wir alle wissen, dass sein Leben am Ende nur noch ein Märtyrium war - trotzdem hat jeder sich an die kleinste Hoffnung geklammert, der Junge könnte doch noch gerettet werden.

    Bei diesen ganzen Texten und den Erinnerungen fällt mir das Buch, das ich als junger Mensch gelesen habe ein. Es hieß: "Ich lerne leben, weil Du sterben mußt" und es erzählt genau das, was ihr alle beschreibt.

    Wann ist der richtige Moment? Lebe jetzt, später kann es zu spät sein.

    LG
     
  5. Ruth

    Ruth Bekanntes Mitglied

    Registriert seit:
    12. April 2004
    Beiträge:
    14.465
    Ort:
    württemberg
    Hallo, Melisandra und Ihr anderen!

    Das Buch, das Du erwähnst, habe ich auch. Mir selber hat auch das Buch "Verwaiste Eltern" von Harriet S. Schiff aus dem Kreuz-Verlag damals als betroffener Mutter sehr geholfen. Auch die Autorin Elisabeth Kübler-Ross hat Bücher zu diesem Thema geschrieben. Wir haben z. B. ein großes Buch mit Fotos von ihr, "Leben, bis wir Abschied nehmen". Sicher gibt es inzwischen auch viele neue Bücher zu diesem Thema.
    Eure Ruth
     
  6. sam

    sam Neues Mitglied

    Registriert seit:
    3. Mai 2004
    Beiträge:
    269
    Ort:
    bayern, pförring, wo sich Fuchs und Hase gute Nach
    Hallo Glitzerchen,

    Ich kann dir nur sagen, auch den anderen, es hat mich sehr bewegt, es bewegt mich noch.

    Du hast recht, das Leben ist viel zu kurz. Wir meinen immer nur, wir hätten alle Zeit der Welt. Aber, haben wir Zeit für die Welt???

    Deine Geschichte hat mich wieder sehr an den Paliativ Kurs erinnert, den ich vor ca. einem Jahr beendet habe.

    Ich danke Dir dafür, denn viele Dinge sieht man dann mit anderen Augen.

    Liebe Grüße

    sam ;)
     
  7. gisipb

    gisipb Neues Mitglied

    Registriert seit:
    30. April 2003
    Beiträge:
    2.229
    Ort:
    NRW
    Sanft, das erste Tageslicht......



    [​IMG]

    http://www.hospiz.org/buchtips.htm

    http://www.hospiz.org/empfehlungen.htm

    Sanft, das erste Tageslicht,
    langsam den Dunst des Nebels bricht
    und der Tau der letzten Nacht,
    glitzernd im neuen Licht erwacht.

    Erste Vögel zwitschern leise,
    frühmorgens ihre süße Weise
    und ein neuer Tag erwacht,
    wenn Dunkelheit dem Licht Platz macht.

    Leise, im sanften Licht erwacht,
    entwickelt der Tag nun seine Macht.

    Hoch die Sonne am Himmel steht,
    des morgens Dunst schon lang verweht.

    Klar lässt sie die Luft erscheinen,
    den Blick, sich bis zum Horizont neigen
    und alles strebt so voll Bedacht,
    des Tages Licht darüber wacht

    alles lebt und alles ist gut,
    alles singt und macht und tut.

    Aktivitäten neu erwacht,
    der Tag ist zum leben wie gemacht.

    Des Tages Kraft unendlich scheint,
    wird nie vergehen, so mancher meint.
    Doch das Licht in seiner Weise,
    hält nicht inne auf seiner Reise.

    Die Sonne sich langsam nach westen neigt,
    des Tages lauf sich darin zeigt.

    Noch schnell die letzte Arbeit verrichtet,
    den letzten Zweig im Neste geschichtet,

    müde sind die Ersten nun,
    wünschen sich schon bald zu ruhen.

    Wärme aus der Erde steigt
    und der Tag sich leise verneigt.

    Rot, der Sonne letztes Licht,
    sich golden in den Wolken bricht.

    Nebel zieht sich übers Land.
    Licht verrinnt so schnell wie Sand
    und der Tau der kommenden Nacht,
    rasch nun auf dem Gras erwacht

    Der Tag langsam vor der Nacht verschwand,
    Dämmerung die zwei verband.

    Die Sonne neigt sich der Erde zu
    und in das Land kehrt langsam ruh`.

    Dunkelheit liegt auf der Erde,
    wenn der Tag zur Nacht nun werde.

    Frieden senkt sich übers Land.
    Sterne wie auf Samt gebannt,
    glitzern hell am Himmelszelt.
    Nacht umfängt nun diese Welt.

    Mondlicht übers Land hingleitet,
    uns zum Träumen sanft verleitet.

    Schwarzer Samt, der uns umhüllt,
    wenn Ruhe, Kraft von neuem füllt.

    Bald schon das erste Tageslicht
    langsam den Dunst des Nebels bricht
    und der Tau der letzten Nacht
    glitzernd im neuen Licht erwacht.

     
  8. Seerosen42

    Seerosen42 Neues Mitglied

    Registriert seit:
    11. Dezember 2004
    Beiträge:
    64
    Ort:
    Hessen
    Sonne für heute

    :) Hallo,wollte Dir nur Danke sagen für Dein schönes Gedich. habe es gleich weitergeleitet und erfreue nun auch andere
    Grüße
    missfits42;)
     
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