Flucht,Vertreibung,Lager,Nachkriegszeit......... (habe Sendung gesehen "Kriegkinder erinnern sich"Sei froh daß Du noch lebst"MDR heute morgen) Mir wurde erst jetzt bewußt das ich auch dazu gehöre,habe es nie verarbeitet und es hat mich wie ein roter Faden mein Leben begleitet!Immer stark sein, nicht Schwäche zeigen, alles tragen und ertragen immer zufrieden sein...usw! Wem geht es genau so ? Bin Jahrgang 42 und habe die Vertreibung zweimal erlebt! Würde mich auf Ausstausch freuen, missfits42
hallo missfits, wenn du magst, dann schau doch mal unter: Umfragen hier im forum nach, falls du das noch nicht getan hast unter verschiedenen threads wirst du zu beiträge finden, die sehr lesenswert sind, wobei aber nicht bezug genommen wurde auf vertreibung, wenn ich mich richtig erinnere. dennoch.... ich bin jahrgang 47, mir ist das erspart geblieben. ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dies ein traumatisches erlebnis ist. zu diesem thema habe ich auch verschiedene sendungen im tv sehr interessiert verfolgt. meine sorge ist, dass die jugend viel zu wenig erfährt und lernt über diese zeit. und es ist so wichtig, dass das alles nicht vergessen wird, damit wir daraus lernen, lernen, lernen. lieben gruß marie
Hallo, liebe Missfits, ich selbst bin Jahrgang 1936 und habe die Flucht also voll miterlebt. Wir wohnten in Oberschlesien. Meine Mutter stand mit fünf Kindern allein da, da mein Vater schon 1942 gefallen war. Ich kann mich noch genau erinnern, wie Flüchtlingstrecks bei uns vorbeizogen. Große Wagen, die von Tieren gezogen wurden und auf denen ganz armselig aussehende Menschen saßen. Sie bekamen von uns immer Butterbrote, soviel wir hatten. An einem Tag im Januar 1945 wurden aus meiner Klasse (an meinen Lehrer oder meine Lehrerin konnte ich mich nicht mehr erinnern, sondern nur, dass der Schulweg durch einen Park führte) viele Kinder von ihren Eltern abgeholt, Als ich das dann zuhause erzählte, sagte meine Mutter: "Dann müssen wir auch weg". Meine Oma lebte in Breslau und konnte dort natürlich nicht allein gelassen werden. Da meine Mutter nicht allein mit 5 Kindern und ihrer damals an Gürtelrose erkrankten Mutter auf die Flucht gehen konnte, vertraute sie ihre beiden ältesten Kinder, also mich und meinen noch eineinhalb Jahre älteren Bruder, einer Cousine an. Sie selbst fuhr mit den drei kleinsten Kindern nach Breslau, um meine Oma abzuholen und steckte dann in Görlitz fest und kam zuerst nicht mehr weiter. Mein Bruder und ich fuhren mit meiner Tante im Zug nach Heiligenstadt, wo ihre Freundin wohnte und mit der sie dann zusammen in Jena Medizin studieren wollte. Uns betreute dann die Mutter ihrer Freundin, die sehr streng zu uns war. Ich weiß noch besonders, dass wir jeden Tag auf irgendeinen Berg (vielleicht war es nur ein kleiner Hügel) steigen mussten, und das wochenlang. Bis auf einmal jemand bei uns vorbeikam und uns mitteilte, dass meine Mutter im Flüchtlingslager in Heiligenstadt war, und wir wurden gefragt, ob wir lieber bei der Familie bleiben wollten oder auch im Flüchtlingslager aufgenommen werden wollten. Das war für uns natürlich keine Frage und wir zogen dann liebend gern um. Ich kann mich besonders daran erinnern, dass wir so ein Läusemittel sogar in unsere Unterhosen gespritzt bekamen, aber das war ja sicher in so einem Lager bei den vielen Menschen nötig. Wie es dann weiter ging, weiß ich nicht mehr so genau, auf jeden Fall sind wir dann in Krombach im Eichsfeld gelandet, wohin die Schwester meiner Mutter auch geflohen war, da sie dort Verwandte hatte. Da die vielen Menschen für einen einzigen Bauernhof zuviel waren, lebten meine Oma, die mich immer besonders gern mochte, und ich bei einem Bauern schräg gegenüber. Der Bauer, der Schwager meiner Tante, wurde eines Tages abgeholt, weil er eine Pistole hatte, und wurde nie mehr gesehen. Wir Kinder verlebten dort eigentlich eine für uns schöne Zeit, ich kann mich noch an einen Fritz erinnern, der mit uns immer mit einem Handkarren eine abschüssige Dorfstraße herunterfuhr. Und ich ging auf Anraten des Pfarrers dort auch zur 1. Heiligen Kommunion. Da wir natürlich kein weißes Kleid auftreiben konnten, hatte ich als einziges Mädchen ein rosa Kleid an und Seidenstrümpfe von meiner Tante. Ich kann mich noch genau erinnern, daß ich Kinder sah, die schön angezogen mit ihrer Kerze zum Photographen gingen, aber für so etwas hatten wir natürlich kein Geld. Dass es mir sehr zugesetzt hat, das sehe ich daran, daß ich das heute noch genau vor mir sehe. Aber weil das Gebiet dann auch von den Russen besetzt wurde, sind wir dann schweren Herzens mit der ganzen Familie, meiner Mutter, meiner Oma, meiner Tante und unseren 5 Kindern und 2 Kindern meiner Tante bei Nacht und Nebel über die Grenze geflohen. Ich weiß noch genau, dass meine Tante im Handwagen Schnaps versteckt hatte, mit denen sie dann die Russen Bestochen hat. Hinter der Grenze schlugen wir in einem Wald ein Lager auf, wir hatten von irgendeinem Wellpappe bekommen, auf die wir uns über Nacht dort legen konnten. Ich fand das trotz der großen Schrecken abenteuerlich. Wir landeten dann in Ascheberg in Westfalen, blieben dort 6 Wochen, wieder aufgeteilt auf zwei Höfe, und dann erreichte uns ein Telegramm eines Onkels, dass in Neuss eine Urtante gestorben war, und dort wurde dann unsere Familie aufgenommen. Die Schwiegertochter des Uronkels war natürlich entsetzt und behandelte uns sehr schlecht, bis wir dann nach 2 Jahren eine eigene Wohnung bekamen. Besonders kann ich mich an eine selbstgenähte Umhängetasche meiner Mutter erinnern, in der alle wichtigen Dokumente und Sparbücher untergebracht waren, und die sie immer unter der Matratze aufbewahrte. Meine Mutter hat über ihre Vergangenheit nie mit uns erzählt, ich glaube, sie litt sehr unter den damaligen armen Verhältnissen, sorgte aber dafür, wofür eigentlich damals keiner Verständnis hatte, dass wir alle eine gute Schulausbildung bekamen. Drei meiner Brüder haben studiert und wir zwei Mädchen sind bei der Post gelandet, was nicht schlecht war. Meine Mutter war sehr liebevoll zu uns. Und ich glaube, wir waren ihr einziges Interesse. Jedes Kind denkt heute noch sehr liebevoll an sie. Ich muss sagen, dass wir trotz der schlimmen Verhältnisse doch eine schöne Kindheit hatten. Und dass wir vielleicht gerade wegen der Schwierigkeiten, die wir hatten, alle einigermaßen lebenstüchtig geworden sind. Aber trotzdem laufen mir jetzt dauernd die Tränen herunter, wenn ich das hier schreibe. Viele liebe Grüße Neli
Vielen Dank für Deinen Brief,ich war 31/2 Jahre und sind von Schlesien im März 1946 Glatz (Ullersdorf) vertrieben worden.Im Güterug (Viehwagen)Ein Jahr vorher ist meine Mutter mit Bollerwagen ,mit Strick über der Schulter und Kinderwagen,meinen Bruder an der Hand im Winter (Schnee) von Schweidnitz aus ,sich auf den Weg nach Ullersdorf,zu ihren Eltern gemacht. Ich weiß das alles nur aus einer Biographie von meiner Mutter.Da konnte ich die Grausamkeiten der Russen und das Plündern der Wohnung von uns von den Polen nachlesen.Mein Bruder war 1939 geboren,der kann sich mehr daran erinnern. Danke für Deine Antwort missfits42
Weil gestern die Erinnerungen an die Zeit der Flucht wieder in mir so hochgekommen sind, habe ich ein Photo von der damaligen einklässigen Volksschule in Krombach herausgekramt. In der Mitte der zweiten Reihe (mit dem viereckigen Quadrat auf dem Kleid), das bin ich. In der dritten Reihe rechts hinter mir mein ältester Bruder, und in der ersten Reihe das 6. Kind von links meine Schwester und 4 Plätze weiter ihr Zwillingsbruder. Mein jüngster Bruder war damals erst 3 Jahre alt und ging noch nicht zur Schule. Meine Mutter hatte die vier Kinder in zweieinhalb Jahren bekommen, mein ältester Bruder war im April geboren, ich im September des nächsten Jahres und die Zwillinge 13 Monate später. Das war sicher nicht leicht für meine Mutter. Ich denke, sie hat an den Kriegswirren und am Verlust meines Vaters am meisten gelitten. Viele liebe Grüßé Neli
Wie Ihr seht, läßt das Thema mich ja jetzt nicht zur Ruhe kommen. Deswegen möchte ich Euch noch folgendes erzählen. Meine Mutter konnte natürlich nicht auch noch Photos auf die Flucht nehmen, aber nach und nach bekamen wir einige wenige Kinderbilder aus der Verwandtschaft. Vor einigen Jahren telefonierte unsere damalige Kinderschwester, die meiner Mutter bei der Betreuung der Zwillinge behilflich war, überall herum, um die damaligen Kinder ausfindig zu machen. Sie landete dann bei meiner Schwägerin, die ihr dann auch die Anschrift meines Bruders, eben dieses Zwillingsjungs, angeben konnte. Sie war inzwischen schon sehr alt geworden und hoffte, uns mit den Bildern aus der damaligen Zeit eine Freude zu machen. Und das ist ihr ja wirklich gelungen. Meine Schwester wollte sie dann gerne besuchen, aber sie fühlte sich nicht so gut. Hier sind die Photos aller vier Kinder, die Ihr oben auf dem Schulphoto gesehen habt. Die Kinderschwester mit den Zwillingen und mein Bruder und ich in der Badewanne: Die Bilder sind ca. 67 Jahre alt. Die Kinderkrankenschwester lebt sicher nicht mehr und meine Mutter wäre heute 103 Jahre alt. So schnell vergehen die Zeiten!
Hi, ich selbst bin,Gott sei es gedankt, erst 1950 im Westen geboren - Krieg, Vertreibung, Heimatlosigkeit, Hunger und ein kaputtes Deutschland kenne ich nur von den ersten Kindheitstagen und aus der Schule. Direkt betroffen sind bei mir in der Familie die Oma und beide Schwestern meiner Mama.Sie waren alle drei auf dem "grossen Treck" und ausser ein paar Fotos, Kleidung, ein Waschschüssel und ein paar andere Dinge blieb alles zurück. Meine Mutter selbst erlebte den Russen und Polen an der Heimatfront, Nipter und heute noch darf ihr nichts wirklich russisches zu nahe kommen - und schon gar nicht die Polen. Meine Mutter hat 2 x alles verloren, inclusive ihre erste Tochter und Papa war von 1940 - 1945 aktiv im Krieg, nie zuhause. Oma starb im ehemaligen Ostteil Deutschlands; mein Opa starb im KZ Mauthausen, erschossen von den eigenen Deutschen, weil er Kommunist war und meine beiden Tanten können viel über die Flucht, den Treck und die Russen erzählen. Kein Krieg rechtfertigt, was auf allen Seiten geschehen ist. Frieden zu finden, einander zu vergeben und dafür Sorge zu tragen, daß sich das nie wieder wiederholt, ist eine Pflicht der Generationen, die jetzt und kommend leben. Pumpkin
Bin auch Heimatvertriebene Hallo Missfits und hallo Neli, ich bin die dritte im Bunde und ebenfalls Jahrgang 42. Wir wurden im Frühsommer 1946 aus Berna, Kreis Lauban in Niederschlesien, vertrieben. Ich war gut 3½ Jahre alt und kann mich noch daran erinnern. Mein Vater war in Sibirien in Gefangenschaft und meine Mutter war mit meiner älteren Schwester und mir auch auf sich allein gestellt. Die Frauen waren gerade dabei Wäsche aufzuhängen, als die Soldaten kamen. Sie fielen sich weinend in die Arme. Kurze Zeit später - die Frauen bekamen 20 Minuten Zeit, um zu packen - sind wir dann fast alle los. Wir mit einem Kinderwagen und dem Nötigsten. Auch in Güterwaggons, nachts oft in grossen Sälen, von Soldaten bewacht. Ich musste immer still sein und sollte nichts sagen. Später dann im Leiterwagen zu einem Bauern in einem Dorf in Niedersachsen. Wir waren alles andere als erwünscht. Wir hatten ein kleines Zimmer mit einem Bett, Tisch und Stuhl und einen Ofen. Im Winter gab es jeden Tag Steckrübensuppe - nur mit Wasser gekocht! Die mochte ich überhaupt nicht, bekam sie aber bis abends immer wieder aufgewärmt Meine Mutter ging mit einer Freundin kurze Zeit später noch einmal "schwarz" über die Grenze, um für uns Winterkleidung zu holen. Die beiden Frauen hatten einen Riesenbammel und wurden auch erwischt, jedoch wieder freigelassen. Als mein Vater im Sommer 1947 aus der Gefangenschaft kam, schliefen wir beiden Mädchen dann bei einer ganz lieben Nachbarbäuerin. Nein, das vergisst man nicht. Ich denke dabei immer an die heutigen Kriegskinder. Liebe Grüsse, Mimmi