Weihnachtswunsch

Dieses Thema im Forum "Kaffeeklatsch" wurde erstellt von Heidi, 20. Dezember 2004.

  1. Heidi

    Heidi Künsterlin

    Registriert seit:
    30. April 2003
    Beiträge:
    322
    Ort:
    Schweiz Kt. Schwyz
    Das Mädchen reckte sich höher, um aus dem Fenster zu schauen. Das Mondlicht ließ die wirbelnden Schneeflocken silbern erstrahlen. Traurig schaute Louisa dem lustigen Treiben der Schneeflocken zu. Bald war Weihnachten. Würde ihr Wunsch in Erfüllung gehen? Würde ihr Vater zu Weihnachten kommen? Sie hatte doch nur diesen Wunsch. Sie schrak heftig zusammen, als die Tür sich öffnete.
    “Louisa, warum schläfst Du nicht?“ Die Mutter nahm das Kind in den Arm und führte es zum Bett zurück.
    “Mutti, kommt Papa wieder?“ fragte Louisa. Tränen rollten ihr über das Gesicht.
    Die Mutter streichelte ihr über das Haar und seufzte tief: “Ich weiß es nicht, Louisa.“
    “Hat er mich nicht mehr lieb?“
    “Doch, das hat er bestimmt, aber ...“
    “Ja, aber dann kommt er doch bestimmt oder ...? fragend schaute Loisa ihre Mutter an.
    Constanze drückte das Mädchen fest an sich. Was sollte sie nur sagen? Sie wollte nicht lügen, aber die Wahrheit konnte sie dem Kind doch nicht erzählen. Lukas war im Gefängnis. Nein, er war kein Verbrecher, er war nur leichtsinnig, konnte nicht mit Geld umgehen. Das Spielcasino, die Sportwagen, alles kostete viel Geld. Als die Ersparnisse aufgebracht waren, machte er in schwindelnder Höhe Schulden. Als Lukas dann keinen Ausweg sah, hoffte er auf das große Glück im Casino, fälschte Firmenbuchungen und überwies das Geld auf sein Konto. Natürlich war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis man ihn überführte. Für sie brach die Welt zusammen, als die Polizei vor der Türe stand und Lukas festnahm. Sie hatte ihm vertraut, wenn er bis spät nachts arbeiten musste. Dabei „arbeitete“ er im Spielcasino. Ihre Zukunft war trostlos. Das Haus musste verkauft werden, um einen Teil der Schulden zurückzuzahlen. Die Nachbarn tuschelten, schließlich war sie die Frau eines Verbrechers. Sie hatte sich eine kleine Wohnung gesucht, lebte von Sozialhilfe. Louisa litt sehr unter dem Verlust und des Umzugs in die kleine Wohnung. Sie konnte ihr nur ihre ganze Liebe geben.
    Bitterkeit stieg in ihr hoch. Nicht einmal zu Weihnachten konnte sie dem Kind etwas Schönes kaufen. Sie hatte in einem Secoundhand-Shop ein niedliches Taftkleid für sie erworben, ein paar selbstgebackene Keks, das war es auch schon. Und alles wegen eines Mannes, der verantwortungslos gehandelt hatte.
    Während sie ihren Gedanken nachging, war Louisa eingeschlafen. Sie schaute auf das schlafende Kind. Für sie wollte alles tun und immer für sie da sein.
    Constanze ging in die kleine Küche. Schlafen konnte sie jetzt nicht. Liebte sie Lukas noch? Die Scheidung hatte sie noch nicht eingereicht. Ihre Hass oder war es nur Wut, hatten sie auch von Besuchen im Gefängnis abgehalten. Seine Briefe hatte sie sofort weggeworfen. Sie wollte nichts von ihm hören. Es gab keine Entschuldigung für sein Handeln. Er hat sie und das Kind ins Elend gestürzt. Sein Tun hatte gezeigt, dass er kein Pflichtbewusstsein hatte, dass Frau und Kind ihm egal waren. Wütend zerknüllte sie die am Tisch liegende Zeitung. Nein, ich liebe ihn nicht mehr, nach Weihnachten werde ich die Scheidung einreichen. Lucas war zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Im Sommer müsste er also entlassen werden. Bis dahin muss die Scheidung ausgesprochen sein. Ich will ihn nicht mehr sehen. Mit diesem Entschluss ging sie ebenfalls zu Bett.

    Louisa hatte den kleinen Tannenbaum mit ihren gebastelten Sternen geschmückt und bunte Kugeln und Figuren dazu gehängt. „Schau mal Mutti, der Baum ist doch viel schöner geworden, als der große Baum, den wir immer hatten.“ Sie umarmte Constanze stürmisch. „Und Papa kommt heute bestimmt, das weiß ich.“
    Das liebevolle Lächeln verschwand aus Constanzes Gesicht. Sie war so glücklich gewesen, als sie Louisa beim Schmücken zugesehen hatte. Und jetzt, sie dachte mit Schrecken an den Abend. Verstohlen wischte sie sich eine Träne fort.
    Es war Abend geworden. Louisa lief aufgeregt von einem Fenster zum anderen. „Weiß Papa, wo wir wohnen? Muss er lange Auto fahren?“ Constanze gab keine Antwort. Sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte.
    „Komm jetzt essen wir unseren Kartoffelsalat und die Würstchen. Du passt auf die Würstchen auf, damit sie nicht kochen und ich schaue noch mal in der Stube nach, ob alles in Ordnung ist, ja?“
    „Aber es ist doch alles in Ordnung, wir haben alles schön aufgeräumt“, meinte Louisa nun bedrückt, „aber ich passe schon auf.“
    Schnell legte Constanze das Kleid unter den Weihnachtsbaum. Hoffentlich war Louisa nicht sehr enttäuscht. Sie hätte ihr so gerne mehr gekauft. Seufzend ging sie zurück in die Küche.
    „Wie spät ist es, meinst Du Papa braucht länger, weil die Straßen voller Schnee sind?“
    „Louisa, Papa ...
    „Aber der Weihnachtsmann kommt doch auch immer pünktlich.“
    Das Essen verlief sehr schweigsam. Louisas Plappermaul war heute still.
    „Kommen wir machen schnell die Küche sauber und schauen dann nach, ob der Weihnachtsmann schon da war.“
    „Meinetwegen.“ Louisa schaute traurig ihre Mutter an.
    In diesem Moment hasste Constanze Lukas wirklich. Wie konnte er das dem Kind nur antun. Sie versuchte fröhlich zu sein, sang ein Weihnachtslied und öffnete dann die Tür zum Wohnzimmer. Zögernd kam Louisa nach. Staunend blieb sie vor dem Kleid stehen. „Oh ist das schön. Darf ich das gleich anziehen?“
    „Aber ja doch.“
    Louisa drehte sich staunend vor dem Spiegel. „Das ist ja sooo schön.“
    „Ja, Du siehst aus wie eine kleine Prinzessin. Ich muss jetzt wohl Eure Hoheit zu Dir sagen,“ dabei machte Constanze einen tiefen Knicks vor ihrer Tochter.
    Louisa kicherte. Während ihres Spiels klopfte es laut an der Tür. Erschrocken schauten sie sich an. „Papa“, jubelte Louisa plötzlich und lief zur Tür, ehe Constanze sie aufhalten konnte.
    „Mama, komm schnell, der Weihnachtsmann ist hier “, rief das Kind aufgeregt.
    Constanze blickte auf den Mann, der dort an der Türe stand. Sein Gesicht wurde durch einen dichten weißen Bart verdeckt. Mit verstellter Stimme fragte er nun, ob er reinkommen dürfe.
    Louisa gab keine Antwort und zog ihn einfach mit in das Zimmer und nun stand ihr Mündchen überhaupt nicht still. Sie überhäufte den Mann mit unzähligen Fragen. Dieser stand da und schaute gerührt auf das Mädchen. „Ja, ich komme von weit her. Aber ich musste doch die kleine Louisa heute selbst besuchen.“ Dabei streichelte er das Kind. Constanze wusste nicht, was sie tun sollte. Wer war der Mann? Sie hatte keinen Weihnachtsmann bestellt, sie hätte ihn nicht bezahlen können.
    Der Unbekannte murmelte, dass er auch einiges für ein liebes Mädchen mitgebracht habe. Er holte aus dem großen Sack einen riesigen Teddybär hervor.
    „Oh, ist der schön. Ist der wirklich für mich?“ Sie drückte den Bären fest an sich. Dann legte sie ihn beiseite und umarmte ihn heftig. „Aber ...“, ihre Augen verdunkelten sich, „hast Du meinen Wunschzettel nicht erhalten?“
    „Hmmm, Wunschzettel, habe ich etwas vergessen?“
    Sie schaute ihn traurig an. „Du hast ihn gar nicht gelesen. Ich wollte doch, dass mein Papa heute wieder kommt.“
    Hastig schaute der Weihnachtsmann zur Seite und wich ihrem flehenden Blick aus.
    „Ja, äh, Dein Papa ... er musste lange weg, weil er nicht lieb gewesen ist. Ich weiß aber, dass er Deine Mami und Dich sehr, sehr lieb hat und Euch nicht vergessen hat. Es tut ihm so leid.“
    „Du hast mit ihm gesprochen? Warum kommt er nicht?“ Sie drehte sich zu ihrer Mutter um. „Mama, wir haben ihn doch auch so lieb. Kann er nicht wieder kommen?“
    Der Weihnachtsmann schaute Constanze ebenfalls flehend an.
    Lukas, flüsterte sie. Aber wieso ...? Sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. Musste sie ihm nicht verzeihen, wollten sie nicht in guten und schlechten Zeiten zueinander stehen? Louisa liebte ihren Vater, konnte sie das Kind enttäuschen und damit unglücklich machen? Sie sah im Blick von Lukas all seine Liebe zu ihr und dem Kind. Sie nickte unmerklich.
    Zwei Augenpaare strahlten sie nun an.
    „So, und ich muss nun weiter, andere Kinder warten noch auf mich.“
    „Aber ... was ist mit meinem Papa?“
    Langsam zog der Weihnachtsmann seinen Bart ab.
    „Aber ...“ Louisa sah ihn erstaunt an und dann warf sie sich jubelnd in seine Arme. „Papa!“

    Doris Ruhnau
     
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