Fibro

Dieses Thema im Forum "Kinder- und Jugendrheuma" wurde erstellt von Nicky16, 17. August 2004.

  1. Nicky16

    Nicky16 Nicky16

    Registriert seit:
    19. September 2003
    Beiträge:
    22
    Ort:
    Südhessen
    Schmerzen zu haben ist eine beängstigende Vorstellung, für uns alle. Wahrscheinlich
    gibt es kaum etwas anderes, das so viel Angst macht. Wie man mit Schmerzen umgehen
    kann, hängt sehr stark von den Vorerfahrung und der Reaktion der Umwelt ab. Vor einem
    operativen Eingriff stellt man sich beispielsweiße darauf ein, das es hinterher einige Zeit weh
    tun wird. Freunde und Bekannte machen Mut: "Das hatte ich auch schon einmal. Alles halb
    so schlimm, nach ein paar tagen ist das kein Problem mehr. Nur Mut das schaffst Du!" Was
    aber, wenn der Schmerz nicht aufhört?

    Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen betreten Neuland, vor allem wenn
    sich die Schmerzen nicht organisch erklären lassen. Dieses Krankheitsbild ist relativ neu, vor
    10-15 Jahren kannte man diese Schmerzsymtomatik bei jungen Patienten kaum.
    Inzwischen nimmt nicht nur ihre Zahl ständig zu, die Patienten werden auch immer jünger.
    Woran das liegt, weiß niemand. In der Rheumakinderklinik Garmisch-Partenkirchen
    die die weltweit größte Klinik für Kinder und Jugendliche mit rheumatischen Erkrankungen
    ist, beträgt der Anteil der Schmerzpatienten inzwischen fast 10%.

    Natürlich sind die Krankheitsverläufe und Beschwerdebilder vielfältig, manchmal sind es
    einzelne Gliedmaßen, die Schmerzen verursachen, häufig tut den Patienten aber alles weh.
    Trotz der Unterschiedlichkeit lässt sich die Welt dieser Kinder verallgemeinernd mit einem
    Begriff beschreiben: HILFLOSIGKEIT! Sie fühlen sich ihrem Schmerz hilflos ausgeliefert,
    denn sie verstehen nicht, woher er kommt und warum gerade sie darunter leiden müssen.
    Die eigene Verunsicherung wird verstärkt durch die Hilflosigkeit des Umfeldes: Weder die
    Eltern noch die Freunde haben eine Erklärung für die anhaltenden Schmerzen, sogar die
    Ärzte sind ratlos und können keine wirkliche Hilfe anbieten. Diese Situation macht Angst,
    denn normalerweise wachsen die Kinder und Jugendlichen in einer Welt auf, in der die
    Erwachsenen und älteren Geschwister Sicherheit geben können. Durch die anhaltenden,
    unerklärlichen Schmerzen werden die Patienten auf sich selbst zurückgeworfen. Außer
    Durchhalteparolen oder ratlosem Schulterzucken kommt irgendwann nicht mehr viel,
    Vorerfahrungen gibt es kaum.

    Hilflosigkeit der Eltern

    Die Eltern sind hilflos, häufig kommt es zwischen Ihnen zu Konflikten, weil ein Elternteil
    für eine harte Linie eintritt, während der Partner sehr verständnisvoll und nachsichtig agiert.
    Erschreckend ist die zunehmende soziale Isolierung der Betroffenen. Bei vielen Patienten
    sind die Schmerzen so ausgeprägt, dass sie sich nicht in der Lage fühlen, die Schule zu
    besuchen. Die daraus folgenden hohen Fehlzeiten führen nicht nur zu Wissenslücken,
    die auf die Dauer schwer auszugleichen sind, sondern auch zu einem verminderten Kontakt
    zu den Mitschülern. Gemeinsame Unternehmungen am Nachmittag werden ebenfalls
    seltener, denn entweder stehen die Schmerzen im Weg oder die Angst, dass
    zwischenzeitliche schmerzfreie Zeiten als beleg interpretiert werden, das das Leiden nur
    gespielt ist. Die Wechselhaftigkeit der beschwerden gehört zu den Belastensten
    Merkmalen der Krankheit, den die Patienten sitzen dadurch in einer Glaubwürdigkeitsfalle:
    Wenn sie in schmerzfreien Phasen endlich unbeschwert das Leben, was sie lange vermisst
    haben, wird das vom Umfeld nicht verstanden: "Schau wie die herumtanzen kann!
    Dann kann es ja nicht so schlimm sein...“ Um diesen sehr verletzenden Anschuldigungen zu
    entgehen, spielen manche Kinder und Jugendliche ihr Leiden auch in schmerzfreien Phasen
    Doch das gelingt nur selten, in aller Regel spürt das der Gegenüber und, dass das Verhalten
    in diesem Moment nicht echt ist und wieder wird diese Erfahrung verallgemeinert: "Die hat doch keine
    Schmerzen, die macht uns doch nur was vor!" Um diesem Dilemma zu entgehen, ziehen
    sich viele Betroffene mehr und mehr zurück.

    Rückzug, Isolation, Einsamkeit

    Für die psychosoziale Entwicklung der Kinder ist diese Rückzugstendenz natürlich fatal,
    denn es ist eines der zentralen Merkmale des Kinder- und Jugendalters, dass die
    Heranwachsenden ihr Umfeld erobern und mehr und mehr "in die Welt hinausziehen!"

    Aus Sicht der behandelnden Ärzte sind die Jugendlichen Schmerzpatienten sehr
    anstrengend, denn man kann ihnen kaum helfen. Regionale Schmerzsymtome, bei denen
    Schwellungen und Hautveränderungen auftreten sind wenigstens "vorzeigbar"
    Generalisierte Schmerzstörungen, die den gesamten Körper betreffen können, sind
    dagegen weder optisch noch labortechnisch nachweisbar. Selbst starke Schmerzmittel
    zeigen keine befriedigende Wirkung. Die eigene Hilflosigkeit macht viele Behandler
    aggressiv. Fast alle Patienten haben erlebt, dass zunächst rein organisch diagnostiziert und
    therapiert wurde. Wenn das zu keinem Ergebnis führte, schlug die somatische Sichtweiße
    abrupt um: "Da wir nichts finden muss es psychisch sein, gehen sie mit ihrem Kind doch mal
    zum Psychologen oder in die Kinder- und Jugendpsychatrie." Für die Betroffenen und deren
    Eltern bricht spätestens jetzt eine Welt zusammen, die schon lange keine unbeschwerte
    Kinderwelt mehr ist. Im Mittelpunkt ihrer Wünsche steht natürlich die Schmerzfreiheit.
    Nichts wird mehr herbeigesehnt als eine ganz normale Kindheit. Und wenn die Schmerzen
    schon sein müssen, dann soll man wenigstens wissen und erklären können, woher sie
    kommen und wie sie wieder weggehen. Nur wenige Menschen machen sich bewusst, dass
    ein Wesensmerkmal des Schmerzes ist, dass man ihn nicht beweisen kann. Glück im Unglück
    hat, wer eine sichtbare, möglichst spektakuläre Wunde oder wenigstens, einen Gips
    herzeigen kann, denn die Anteilnahme der Umwelt ist ihm sicher.

    Verständnis und Geborgenheit finden

    Die Patienten mit anhaltenden unklaren Schmerzen am Bewegungsapparat haben diese
    Möglichkeit nicht. Um ihnen besser gerecht werden zu können, hat die Kinderrheumaklinik
    Garmisch-Partenkirchen im Mai 2003 eine eigene Station für diesen Personenkreis eröffnet. Die Patienten, die aus dem gesamten Bundesgebiet stammen, atmen in aller Regel erst einmal auf, wenn sie andere Leidensgenossen kennen lernen und endlich wieder einmal „Gleiche unter Gleichen“ sind.
    Schmerzbewältigungstraining, Physiotherapie und aktivierenden Einheiten. Neben Ärzten, Schwestern, Physiotherapeuten und Mitarbeitern des Sozialdienstes gehören auch Psychologen zum Behandlungsteam, nicht weil die Schmerzen nur eingebildet wären, sondern weil Wochen- und Monate lange Schmerzen nicht spurlos an der Psyche vorübergehen. Die Gemeinschaft mit anderen Patienten und die spielerischen Therapieelemente bringen wieder etwas Leichtigkeit und Optimismus in die Welt der Kinder. Ein umstrittener Punkt ist die frage, ob die Ursache der Schmerzen gefunden und behoben werden muss. Die Suche nach dem Auslöser liegt uns allen im Blut, verbunden mit der Hoffnung, dass man ihn in irgendeiner Form beheben oder ungeschehen machen kann.


    Familie einbeziehen und respektieren

    Die häufigste Mutmaßung ist „da wird in der Familie etwas nicht stimmen“. Der Blick auf das Familiensystem und die familieninternen Interaktionsmuster ist natürlich ist natürlich ein Bestandteil der Therapie, die betroffenen verwahren sich aber zu Recht gegen meist recht windschiefe Theorien und Unterstellungen. Abgesehen von den wenigen Fällen in denen deutlich wird dass ein Patient misshandelt oder missbraucht wurde, muss die Familie mit all ihren Besonderheiten, Stärken und Schwächen respektiert und in geeigneter Weise in die Therapie eingezogen werden. Im Mittelpunkt der Therapie steht nicht die Ursachenforschung, sondern das Ernstnehmen der Patienten und ihrer Schmerzen. Die Kraft und die Aufmerksamkeit aller Beteiligten sollte primär in die Zukunft gerichtet werden: Was können wir miteinander tun um die Schmerzen zu minimieren? Wie kann wieder mehr Normalität und zur ersehnten, ganz normalen Kinderwelt zurückgefunden werden?
    Der Weg ist leider oft beschwerlich, es ist aber eine Freude, wenn wir gemeinsam erleben, dass der Schmerz Stück für Stück zurückweicht und den Zugang zu einem unbeschwerteren Leben frei gibt.


    So ihr lieben hier mal was für die Fibros und andere Schmerzpatienten

    Gruß Nicky
     
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