DAS LEBEN IM JAHRE 2010 :)))oder :(((

Das Leben 2010

Es ist Montag, der 3. Juni 2010, 5:00 Uhr Morgens. Der Radiowecker reißt Günter S. (48) aus dem Schlaf. Der Oldiesender spielt "Modern Talking". Herr S. quält sich aus dem Bett. Gestern ist es wieder etwas später geworden - bei der Arbeit. Dienst am Pfingstsonntag - mal wieder.
Früher konnte er danach wenigstens ausschlafen. "Ja, ja, der Pfingstmontag", murmelt Herr S., "ist das wirklich schon sieben Jahre her?"

Es hat sich wirklich einiges getan seit damals. Als 2005 die Eigenheimzulage plötzlich doch gestrichen wurde, mußten sie eben Abstriche machen. Doch inzwischen hat sich Familie S. daran gewöhnt, an freiliegende Leitungen, den Betonfußboden, die billigen Türklinken und einfachen Lichtschalter.

"Gut", denkt Herr S., "daß damals die Garage noch nicht fertig war!" Denn der Wagen ist längst verschrottet. Viel zu teuer, seit es keine Kilometerpauschale mehr gibt und das Benzin zugunsten der Haushaltslöcher mit unzähligen Sondersteuern belegt wurde. Bei 6,20 Euro steht der Preis jetzt. Aber wenigstens das kann er jetzt ja ganz entspannt verfolgen. Und mit Bus und Bahn dauert die Fahrt in die Stadt ja auch nur knappe zwei Stunden. Und was man dabei für nette Leute trifft: Zum Beispiel die Blondine, die Herrn S. immer so reizend anlächelt. Zurück lächeln mag er nicht. Wegen der Zähne. Aber was will man machen? 3.000 Euro für zwei Kronen sind viel Geld. Und schon die Brille mußte er selber bezahlen. Dabei hat er aber 35 Euro gespart. Weil er nicht gleich zum Augen-, sondern erst zum Hausarzt gegangen ist. Wegen der Überweisung. Allerdings mußte er dafür einen extra Tag unbezahlt frei nehmen und deshalb ist er sich nicht recht im klaren, ob sich das letztlich wirklich rechnete.

Der Urlaub fällt flach: "Das könnte Ärger geben zu Hause", stöhnt Herr S. vor sich hin. Traurig erinnert er sich an letzte Weihnachten. Als es nichts gab außer selbst gesungene Lieder. Aber das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Obwohl das ohnehin stark ausgeprägt ist, weil die erwachsenen Kinder einfach nicht ausziehen wollen.

2008 wurde auch in der freien Wirtschaft das Weihnachtsgeld gestrichen. Im öffentlichen Dienst ist das ja schon länger her. "Und bis wann gab's eigentlich Urlaubsgeld?", fragt sich Herr S. - er kommt nicht drauf.

Damals hatte man jedenfalls noch genügend Urlaub, um das Urlaubsgeld auch auszugeben. Heute sind's ja gerade mal 17 Tage im Jahr. Pfingstmontag? 1. Mai? Himmelfahrt? Geschichte. Das stand nicht auf der Agenda 2010 - so hieß sie doch? Aber man soll ja nicht meckern. Die da Oben, weiß Herr S., die müssen noch sehr viel mehr ackern.

Darum kann Günter S. mit der 48-Stunden-Woche auch ganz gut leben. Er hat auch keine Wahl. Seit der Kündigungsschutz gelockert wurde, mag man es sich mit den Bossen nicht verscherzen. Wer will sich schon einreihen in das Heer der 8,7 Millionen Arbeitslosen. Aber den Feiertagszuschlag für den Dienst an Pfingsten vermißt er schon.

Was soll's, in 24 Jahren hat Herr S. es hinter sich. So üppig wird die Rente zwar nicht ausfallen, wenn das mit den Null-Runden so weiter geht. Doch wer weiß: Vielleicht bringt ihn das Rauchen vorher um. Obwohl er weniger qualmt, seit das Päckchen 9,- Euro kostet. Aber heute, auf den
letzten Metern zum Büro, steckt sich Günter trotzdem eine an.